Interview: Vina Yun

Juliane, du bist Mitherausgeberin des Sammelbands „Antifeminismus in Bewegung“, der sich mit dem organisierten Antifeminismus im deutschsprachigen Raum beschäftigt. Wodurch ist dieser aktuell gekennzeichnet?
Das Phänomen Antifeminismus ist ja kein neues und in den letzten Jahren sind eine ganze Menge guter Expertisen zum Thema erschienen. Allerdings beziehen sich diese in der Regel nur auf einzelne Gruppen. Die Idee des Buchs ist es, diese unterschiedlichen Gruppen zusammenzubringen: Wo liegen Parallelen und Schnittstellen der jeweiligen Akteur*innen, aber auch der Öffentlichkeiten, in denen diese unterwegs sind? Den aktuellen Antifeminismus kennzeichnet, dass er gut vernetzt und daher als Netzwerkprojekt zu sehen ist. Damit meine ich nicht zwangsläufig personelle, sondern vor allem diskursive Netzwerke. Viele prominente Akteur*innen des Antifeminismus würden sich nicht unbedingt gemeinsam an einen Tisch setzen – aber sie beziehen sich auf gemeinsame Feindbilder, sie nutzen eine gemeinsame Sprache und kommen so in den Angriffen zusammen auf das, was sie als „den Feminismus“ brandmarken oder, in neuerer Form, als „den Genderismus“.

© Johanna Benz

Woher kommt dieser diffamierende Begriff?
„Genderismus“ haben Protagonist*innen des organisierten Antifeminismus in ihren Angriffen gegen „Gender“ und „den“ Feminismus seit dem Sommer 2006 benutzt. Später ergänzten sie ihn um das Phantasma der „Frühsexualisierung“, als zweitem Schlagwort in ihrer Mobilisierung.

Was bedeutet „Frühsexualisierung“ in diesem Zusammenhang?
Unter diesem Begriff werden vor allem pädagogische Angebote kritisiert, die von vielfältigen geschlechtlichen und sexuellen Lebensweisen ausgehen. In dem Moment, wo sexuelle Vielfalt, wo eine Anerkennung nicht-heterosexueller Lebensweisen angesprochen wird, wird das von extrem…