Europäisches Standard-Haar
Von
Von Debora Antmann
Ich habe Locken. Schweres Haar und viel davon. Das ist ein Problem. Nicht das Haar an sich. Es ist fabelhaft! Dick, schwer, dunkel – gelockte Fabelhaftigkeit! Finde ich zumindest. Wc-Deutsche Friseur*innen sehen das aber scheinbar anders. Ständig erlebe ich, wie Friseur*innen es glätten, ausdünnen oder umföhnen, weil es so angeblich entweder schicker oder anders „sonst einfach nicht zu verarbeiten ist“. Ich habe so viele hilflose Friseur*innenversuche hinter mit, in denen meinem Haar Schreckliches angetan wurde, dass ich, in dem Moment, als ich eine Friseurin fand, die offensichtlich wusste, was sie mit meinem Haar tut, in meiner Verzweiflung nur noch sie an meine Haare gelassen habe. Das wäre ein Happy End, wenn sie nicht außerhalb Europas leben würde und ich ein Flugticket brauche, um mir die Haare schneiden lassen zu können. Da das einfach nicht alltagstauglich und absolut nicht finanzierbar ist, ich aber das Gefühl hatte, ich brauche wieder etwas Schnitt in meiner Haarpracht, habe ich es getan: Ich habe einen Friseur*innentermin ausgemacht.

Ich habe gesucht und mich von einem fancy teuren Frisurensalon blenden lassen, zu dem ein Friseur gehörte, der sich selbst als Lockenexperte darstellte. Also Termin gemacht und hin in den Salon. Ich wusste auf dem Weg schon, dass es eine schlechte Idee ist. Ich wusste es, als ich die Tür aufmachte. Ich wusste es, als ich die anderen Kundinnen sah. Ich wusste es, als ich mich in den Haarschneidestuhl setzte, und ich hatte unumkehrbare Gewissheit, als ich das Geräusch hörte: ritsch rutsch ritsch … Das Geräusch, das die Klinge macht, wenn jemand deine Haare ausdünnt. Ritsch ritsch ritsch. Er hat den Plan. Er weiß, wie’s geht. So nah ans europäische Standard-Haar ranzukommen, wie es geht…