Interview: Margarita Tsomou

In einem feministischen Pamphlet der Bewegung Wages for Housework (übersetzt: Lohn für Hausarbeit) von 1975 hast du den Slogan formuliert: „Sie nennen es Liebe, wir nennen es unbezahlte Arbeit.“ Was meintest du damit?
Liebe ist eine sozial konstruierte Idee und ihre Bedeutung ist historisch immer im Wandel begriffen. In den 1970er-Jahren argumentierten wir bei der Kampagne Lohn für Hausarbeit, dass die Idealisierung der romantischen Liebe seit dem 19./20. Jahrhundert genutzt wird, um die unbezahlte Arbeit von Frauen zu verbergen. Um Frauen in der Ehe und im Haushalt zu halten – Orte, die eigentlich Arbeitsplätze sind, an denen unbezahlte Arbeit verrichtet wird, um den Mann für die Fabrik oder das Unternehmen, die Armee und den Staat zu reproduzieren. Liebe war die Maskierung, die diese Zustände unsichtbar machte. Die Ehe hat nichts mit Liebe zu tun, sie ist ein Vertrag, der auf der Ungleichheit aufbaut, die darin besteht, dass nur der Mann den Lohn erhält und die Frau von ihm abhängig ist. Durch diese Abhängigkeit bekommt der Mann die Macht, die Arbeit der Frau zu überwachen und sie zu bestrafen. Dieses Konzept von Liebe wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit neuer Kraft wiederbelebt. Während des Zweiten Weltkriegs wurden in vielen Ländern die Frauen am Arbeitsmarkt gebraucht. Sie erlebten einen kurzen Moment der Unabhängigkeit, verließen das Haus und vernetzten sich mit anderen Frauen, während die Männer an der Front waren. Die althergebrachte Vorstellung der romantischen Liebe musste in den 1950er-Jahren erst wieder in die Köpfe eingehämmert werden. Wenn man sich die Hollywood-Filmproduktionen dieser Zeit anschaut, sieht man, wie diese Bilder konstruiert wurden. Den Frauen sollte beigebracht werden, dass Liebe die ultimative Erfahrung im Leben ist. Wenn der richtige Mann gefunden ist, ist die Magie da und das Lebensziel erfüllt. Wir dachten also, Liebe sei die tatsächliche Falle. All das Gerede von „Wir sind eine Seele“ bedeutet eigentlich: „Wir sind die männliche Seele.“ Die feministische Bewegung Lohn für Hausarbeit war eine Revolte gegen dieses Konzept.

 Du denkst also, dass Liebe Ausbeutung verschleiert? Wir begreifen doch Liebe als etwas, das gerade deswegen so kostbar ist, weil es nicht in die monetäre Sphäre gehört: „You cannot buy love“, heißt es.
Genau das ist die Falle: Liebe wird uns als etwas Heiliges verkauft, dabei wurde sie benutzt, um Frauen in unbezahlte Arbeit zu drängen. Denk mal an die Liebe zu Kindern: Wenn

Frauen verlangen würden, dass man sie für die Arbeit bezahlt, die sie für ihre Kinder verrichten, würden sie als lieblos betrachtet werden. Wann immer sie diese Art von Ausbeutung ablehnen wollen, lautet die Antwort: „Oh, du liebst deine Familie nicht!“ Die Liebe der Kinder oder des Ehemanns gilt als Belohnung für die Mutter. Und ihr Wert wird daran gemessen, wie sehr sie ihre Familie „liebt“. Tatsächlich produziert die Mutter einen Wert im kapitalistischen Produktionsprozess. Dabei wird Liebe oft auch als Rechtfertigung für häusliche Gewalt ins Feld geführt.

© Marta Jara

Liebe als Rechtfertigung für häusliche Gewalt? Wie meinst du das?
All die Argumente wie â€â€¦