Von Christina Mohr

„This is my voice / this is my choice / you can tell that to the boys.“ Mit ruhiger, sonorer Stimme singt Molly Burch diese Zeilen zu Twang-Gitarre mit wehmütigem Sixties-Flair – ein leicht irritierender Moment, ein kleiner, kaum merklicher Bruch im Wohlklang, der beispielhaft für Burchs neues Album ist.

© Kelly Giarrocco

Auch als vor knapp zwei Jahren „Please Be Mine“ herauskam, sorgte die amerikanische Singer/Songwriterin für Verwirrung: War das wirklich eine aktuelle Platte – oder ein verschollenes Kleinod aus längst vergangenen Tagen, als Doo-Wop-Gruppen herzzerreißende Teenage-Dramen schmetterten?

Molly Burch, 1991 in Los Angeles geboren und studierte Jazz-Sängerin, spielt bewusst mit Popklischees. Sie liebt es, in retroiden Gefilden zu fischen und melancholische Texte über Liebe und Leid zu singen – sie hatte nur nicht damit gerechnet, dass ihr Debütalbum so vielen Menschen so viel bedeutete, dass ihre Lieder Trost und Zuversicht spendeten.

Burch nahm die Verantwortung an: Mit „First Flower“ geht sie den eingeschlagenen musikalischen Weg konsequent weiter, die Songs sind von perfekter, klassischer Schönheit, verbinden soften Country mit Sechzigerjahre-Pop. Fast ein bisschen zu harmonisch, könnte man denken. Wären da nicht die Haken und Ösen, die Molly Burch – ganz die große Popkünstlerin im Geiste Dusty Springfields und Dolly Partons – in ihre Lyrics und vor allem in den Gesang steckt.

Molly Burch „First Flower“
(Captured Tracks/Cargo)

Überzogen männlich, fast karikaturesk singt sie auf der Single „Wild“, im dazugehörigen Video spielt sie gleich drei Inkarnationen ihrer selbst: die Schüchterne, die Selbstbewusste, die Kluge. „I don’t need to scream to get my point across“, heißt es im eingangs zitierten „To The Boys“: In Molly Burchs Ruhe liegt eine Menge feministischer Kraft.