von Claudio Rimmele

In der Kindheit von Ruanda nach Deutschland, in ihren Zwanzigern von Paris nach Berlin. Das Leben von ​Joanna Legid​, Fotografin, Autorin und Aktivistin, könnte nicht kosmopolitischer sein. Doch in ihren fotografischen Arbeiten fühlt man sich immer zu Hause. Sie geben einem das Gefühl des Vertrauten, umgeben vom warmen Schleier einer analogen Nostalgie. Bei der Ausstellung „#UncensoredBerlin“, organisiert vom Kulturblog ​iHeartBerlin,​ zeigt sie zum ersten Mal Arbeiten, die auf Sozialen Medien gelöscht wurden. Wir haben mit ihr über Zensur und künstlerische Freiheit in Zeiten von Instagram und Co. gesprochen.

© Joanna Legid

Warum ist dir die Fotografie des menschlichen und vor allem nackten Körpers wichtig für deine Arbeit?

Ich fotografiere gerne den menschlichen Körper, vor allem den weiblichen Körper. So hab ich mit dem Fotografieren angefangen. Am Anfang waren es Selbstporträts, die ich mit einer alten Kamera gemacht habe, die mir mein Onkel geschenkt hatte. Ich habe erst mein Gesicht fotografiert, dann auch angefangen, meinen eigenen Körper zu erkunden (das war noch vor iPhone-Zeiten und viel aufwendiger, da ich immer den Selbstauslöser einstellen musste). Irgendwann habe ich mich getraut, auch andere Frauen abzubilden. Ich habe mit Freundinnen angefangen und bis heute suche ich mir eher die Frauen aus, die ich selbst interessant finde. Von denen ich irgendwas im Prozess des Fotografieren lernen kann.

Und wie hat dieser Prozess für dich begonnen?

Die Motivation war immer, andere so zu fotografieren, wie ich mich selbst fotografieren würde. Oder wie ich gerne von jemand anderem fotografiert werden möchte. So hat es angefangen, aus Neugierde.

Wurdest du selbst bereits auf Social Media mit deinen Arbeiten zensiert? Kannst du die Gründe davon nachvollziehen?

Ich wurde nie auf Instagram blockiert, aber es wurden schon ein paar Bilder gelöscht, weil ein Nippel oder Menstruationsblut zu sehen waren. Einmal war es sogar einfach nur ein händchenhaltendes Paar in Unterwäsche. Das Bild musste dann auch weg. Warum auch immer … Also richtig nachvollziehen kann man die Gründe oft nicht.

Glaubst du, das bestimmte Kunst oder spezielle Genres mehr zensiert werden als andere?

Ich kann nicht für andere Künstler*innen sprechen. Aus meiner Erfahrung ist es eine kleine Revolution an sich, den (eigenen) nackten weiblichen Körper so darzustellen, wie man ihn selbst darstellen möchte. Vor allem auf Social Media. Ein weiblicher Nippel stößt gegen die Community-Regeln: Social Media repräsentiert eben das Bild einer Gesellschaft, in der Frauen immer noch unterdrückt sind und Nacktheit generell nur funktioniert als eine Form sexistischer Werbeplakate.

Wie fühlst du dich mit dieser Zensur? Was, glaubst du, sagt sie über unsere moderne digitale Gesellschaft aus?

Erst hat mich die Zensur genervt, nicht, weil diese auf Social Media stattfindet, sondern weil sie zeigt, wie unsere Welt funktioniert. Ist Kunst nicht da, um Regeln zu brechen? Um die Dinge zu vermitteln, die man anders nicht aussprechen kann oder möchte? Ich benutze Fotografie, um die Geschichten zu erzählen, die ich nicht schreiben möchte oder kann. Wenn diese Bilder gelöscht werden, dann haben sie doch ein Stück Wahrheit beinhaltet. Das nehme ich als positives Feedback für mich. Und als Motivation weiterzumachen.

Die Ausstellung #UncensoredBerlin ist vom 07. bis zum 10. Dezember täglich von 12 bis 20 Uhr geöffnet. Location: Blogfabrik, Oranienstr. 185 (Aufgang 5), 10999 Berlin-Kreuzberg