Ich bin 1980 geboren und in einem antiautoritären Umfeld aufgewachsen. Siebenmal sind wir in meiner Kindheit umgezogen, haben in drei WGs und in einer Kommune gelebt. Gleichzeitig war ich häufig und gern zu Gast in der Doppelhaushälfte meiner Großeltern, wo kleinbürgerlich-konservative Werte galten.
Als ich vor fünf Jahren erstmals in einem Pflegeheim arbeitete, konnte ich mir meine Oma (Jahrgang 1931) sehr gut als zufriedene Bewohnerin dieses Hauses vorstellen, meine Mutter (Jahrgang 1955) jedoch überhaupt nicht. Denn während ich die Senior*innen, die gerade pflegebedürftig sind, überwiegend als angepasst, genügsam und bescheiden erlebe, haben die Jahrgänge meiner Elterngeneration andere Wünsche.

Lieb gewonnene Gewohnheiten will man auch im Alter nicht aufgeben © Julia Kluge

Viele von ihnen erprobten neue Wohn- und Lebensformen jenseits der Kleinfamilie. Zwar hat ein Großteil

mittlerweile dem wilden WG-Leben wieder den Rücken gekehrt, doch unterscheiden sie sich in ihrem Anspruch auf persönliche Entfaltung deutlich von ihren Eltern. Wenn diese „jungen Alten“ nun ins Pflegealter kommen, möchten sie ihre lieb gewonnenen Gewohnheiten nicht ablegen: ins Bett gehen und aufstehen, wenn einer*m danach ist, Vollwertkost, alternative Medizin, Yoga und Meditation, ein offener Umgang mit Sexualität, Alkohol oder Drogen – das sind Dinge, die in Zukunft den durchstrukturierten Alltag von Pflegeheimen durcheinanderwirbeln könnten.

Kein Wunder, dass viele den Wunsch hegen, im Alter in eine WG zu ziehen. Doch obwohl immer mehr Alten-WGs entstehen, werden sie nur einen verschwindend geringen Teil des Bedarfs abdecken, der angesichts des demografischen Wandels stetig steigt. Vonseiten der Politik oder der großen Träger sind hier keine kreativen Lösungen zu erwarten. Eine Alten-WG ist teuer. Wer im Alter mitbestimmen will, muss sie selbst…