1994 wird das Fernsehen von Plastikwelten wie „Beverly Hills“ dominiert, die das Leben reicher, verwöhnter Teens zeigen. Doch dank „Willkommen im Leben“ (weitaus ironischer der Originaltitel: „My So-Called Life“) läuft in jenem Jahr erstmals eine Serie an, die den wenig glamourösen Alltag von jungen Außenseiter*innen behandelt.

Hauptfigur ist die Flanellhemden tragende Angela Chase (Claire Danes), eine typische weiße 15-jährige Highschoolschülerin auf der Suche nach ihrer Identität. Angelas Objekt der Begierde ist der hübsche Jordan (Jared Leto), dem sie, als sie seine Dyslexie erkennt, mit allen Mitteln zu helfen versucht. Ihre Obsession ist zwar wenig emanzipativ – doch schlussendlich bleibt sie sich treu: Als er versucht, ihr näherzukommen, weist sie ihn aus Selbstachtung zurück. Tagtäglich stehen Angela und ihre Freundinnen vor der Aufgabe, mit den Erwartungen, die an junge Frauen gestellt werden, umgehen zu lernen. Gerade in ihrer Verletzlichkeit und Unsicherheit hat Angela für viele Teens ein hohes Identifikationspotenzial.

© Moshtari Hilal

„Willkommen im Leben“ war für die damalige Zeit dermaßen progressiv, dass die Serie heute noch ohne Fremdschämen geschaut werden kann. Zu Angelas besten Freunden gehört Rickie, der erste geoutete schwule Protagonist in einer Teenie-Sendung. Nicht weniger ungewöhnlich für eine fast 25 Jahre alte TV-Serie ist die Tatsache, dass Angelas Mutter die Ernährerin der Familie und zeitweise sogar die Chefin ihres Ehemanns ist.

Es wurden Diversity, Lookism, Mobbing und nicht zuletzt weibliche Sexualität behandelt, eine Seltenheit in den Neunzigern. Kein Wunder, dass die Serie so gut gealtert ist, vor allem im Vergleich zu anderen jener Ära („Friends“! „Dawson’s Creek“!). Hoffen wir, dass niemand auf die Idee kommt, ein Remake zu machen – denn trotz ihrer Kurzlebigkeit (eine Staffel mit 19 Folgen) ist „Willkommen im Leben“ Kult. 

Dieser Text erschien zuerst in Missy 06/18.