Von Freddie Schick

An meinem Arbeitsplatz hängen total viele Bilder von nackten Frauen. Wirklich, eine komplette Wand ist quasi tapeziert mit Brüsten! Ich arbeite in einem technischen Beruf in einem größeren Betrieb. Als ich das erste Mal in diese Werkstatt kam, habe ich sofort angesprochen, dass ich das gar nicht cool finde. Die Kollegen dort waren alle älter als ich und meinten: „Ach, das ist doch schön, für mich ist das Kunst. Du kannst dir ja einfach nackte Männer hinhängen.“ Ich so: „Na ja ich finde die Bilder nicht unbedingt hässlich, aber ich schau mir so was eben lieber zu Hause an.“ Ich habe ihnen versucht zu erklären, dass es meiner Meinung nach einen Unterschied macht, ob da nackte Frauen* oder Männer* hängen, wenn man die einzige cis Frau unter cis Männern ist. Und daher sowieso immer aufpassen muss, nicht respektlos behandelt zu werden. Sätze wie „Oh du Arme, musst du wieder so schwer arbeiten?“ weisen mir oft indirekt meine Position zu. Aber es gab auch schon Kommentare wie „Kannst dich auch gern mal ausziehen.“ Durch die Nacktbilder wird dieses Klima gefördert, denke ich. Nach dem Motto: Männer* denken immer an Sex und Frauen* sind das passive Fantasieobjekt.

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Wenn ich versucht habe, das ernsthaft zu klären, gab es schon Kollegen, vor allem jüngere, die gesagt haben: „Voll gut, wenn du sagst, was dich stört“ oder „Ja, das stell ich mir auch echt unangenehm vor als Frau.“ Aber sie haben überhaupt nicht daran gedacht, dass sie als cis Männer auch die Möglichkeit haben, Dinge zu kritisieren oder unangenehm zu finden.

Einer meiner Vorarbeiter versucht, ein paar Dinge zu verändern. Bei ihm in der Werkstatt sind beispielsweise diskriminierende Äußerungen verboten. Das tut dann richtig gut, nicht immer die Einzige zu sein, die etwas dagegen sagt. Er erzählte mir auch, dass es im Betrieb eigentlich schon seit Jahren verboten ist, Nacktbilder aufzuhängen. Seitdem sollen es schon viel weniger und auch weniger explizite Bilder geworden sein. Wenn ein Rundgang von Vorgesetzten angemeldet ist, werden die Bilder dafür sogar abgehängt und danach wieder aufgehängt. Das dauert bestimmt den halben Arbeitstag! Es gibt also wirklich Leute, die sich richtig anstrengen, dass die dableiben.

Die Compliance meines Unternehmens betont, dass das Gleichbehandlungsgesetz sehr ernst genommen wird. Diskriminierende Äußerungen oder Handlungen sollen gar keinen Platz haben. Der Betriebsrat organisiert Schulungen zu Sexismus und Rassismus für Vorgesetzte. Diese sind aber vor allem in den Büros tätig und nicht in den Werkstätten. Eine Mitarbeiterin der Personalabteilung hat eine ziemlich gute Strategie entwickelt. Wenn sich Azubis über sexistische oder rassistische Kommentare beschweren, werden sie aus den jeweiligen Abteilungen abgezogen. Dann können diese Abteilungen keine Azubis mehr anlernen. So angemessen kann eben auch reagiert werden. Das offensichtliche Problem ist aber einfach, dass die meisten Leute in den Führungspositionen weiße Männer sind. Für sie hat es meist keine hohe Priorität, gegen Sexismus oder Rassismus vorzugehen.

Mit Kolleginnen habe ich auch über das Thema gesprochen, die meisten betrachten den Sexismus als Normalität. Ihre Strategie ist es meist, schlagfertig zu reagieren und dumme Sprüche nicht so ernst zu nehmen. Einen Männerkalender hinzuhängen, fanden sie eine witzige Idee, bis jetzt hängt aber noch keiner da.

Ich finde es ziemlich schwierig, eine Reaktionsweise zu entwickeln, die nachhaltig wirkt. Am Anfang hatte ich eine sehr moralische Herangehensweise, habe viel erklärt – warum etwas scheiße ist, warum bestimmte Worte nicht cool sind. Dabei wurde ich immer so ein bisschen oberlehrer*innenhaft wahrgenommen. Also probierte ich, schlagfertiger zu sein, und versuchte, immer den perfekten Kommentar zu bringen. Dadurch hab ich zwar gelernt, bei vielen Dingen nicht mehr so peinlich berührt zu sein – ich war vorher keine ständigen Scherze über Sex gewohnt. Aber dann dachte ich mir auch: Warum? Alle anderen hauen die ganze Zeit jeglichen Müll raus, der ihnen in den Sinn kommt, und ich reflektiere mich so ohne Ende. Jetzt sage ich einfach direkt, wenn mich etwas nervt, und es ist mir egal, wenn ich in die Kategorie spießige Frau* eingeordnet werde. Wenn ich im Raum bin, wird einiges jetzt nur noch über die WhatsApp-Gruppe „Entmannung“ kommuniziert, zumindest wissen meine Kollegen, dass sie vor mir nicht alles laut sagen können. Das heißt, Situationen verändern sich auch dadurch, wer im Raum ist. Und welche Perspektiven damit in die Kommunikation einfließen.

In dieser Gruppe sind vor allem meine jüngeren Kollegen zwischen 16 und 20. Bei ihnen ist Katja Krasavice groß angesagt. Sie kennen jedes Video und gleichzeitig reden alle super abwertend über sie. Letztens habe ich mal eine Doku vom Y-Kollektiv in die Gruppe gepostet. Darin wird ganz entspannt über Sexualität in der Gesellschaft gesprochen, Diversität gezeigt und über nichts geurteilt. Die Auseinandersetzung darüber lief ganz gut, weil dieses Thema meine Kollegen total interessierte und die Doku noch mal eine andere Perspektive zeigt. Viel zu selten hören Jugendliche: „Das Wichtigste ist Konsens und dann ist alles gut, was euch gefällt.“ Auch Queer-Porn wurde thematisiert und das hat meine Kollegen schon ein bisschen schockiert.

Da habe ich mir gedacht, viel besser als Fotos von nackten Muskeltypen aufzuhängen, wären Fotos, die mit Klischees brechen. Oder auf die Fotos, die jetzt da hängen, ein bisschen mehr Körperbehaarung, Muskeln oder gefährliche Fingernägel zu zeichnen.

In meinem kleinen Umfeld habe ich das Gefühl, etwas verändern zu können. Doch insgesamt wünsche ich mir mehr Austausch zu diesem Thema und Ideen, wie Strukturen geändert werden können. Menschen persönlich zu konfrontieren und ihnen bewusst zu machen, was sie eigentlich gerade sagen oder tun, ist wichtig. Aber ich fühle mich nicht jeden Tag so stark und manchmal bin ich einfach nur angepisst oder fertig. Auch auf betrieblicher Ebene müssen Grenzen gesetzt werden. Wie können Betriebsräte das besser durchsetzen? Und wer sitzt überhaupt in den Betriebsräten?