Von Hengameh Yaghoobifarah

So etwas wie eine deutsche Essaytradition gibt es nicht, und ohnehin stellt man sich darunter einen alten weißen cis Mann vor. Dieses Bild verstärkt sich insbesondere in Gegenüberstellung zu englischsprachiger Essaykultur, die von Feministinnen unterschiedlicher Generationen wie Susan Sontag, Roxane Gay, Durga Chew-Bose und Adrienne Rich geprägt ist. Umso schöner, dass sich die 1993 geborene Autorin Enis Maci neben ihren renommierten Theaterstücken diesem hierzulande so vernachlässigten Genre widmet.

Ihr Essayband „Eiscafé Europa“ birgt acht kluge Texte, durchzogen von popkulturellen,

kulturwissenschaftlichen sowie philosophischen Strängen und Anekdoten einer postmigrantischen Millennial. Unaufgeregt, aber nicht minder aufregend schreibt sie etwa über „identitäre“ Frauen auf Social Media, deren reaktionäres, faschistisches Gedankengut nicht an der Grenze zur sogenannten Mitte aufhört, sondern dort lediglich minimal verwässert, z. B. in den Diskussionen auf Wikipedia, in denen sich das rassistische und antisemitische Gedankengut der mehrheitlich männlichen Autor*innen auf die veröffentlichten Einträge auswirkt.

©Kathrin Tschirner

Enis Maci untersucht Enzyklopädien und Sprache. Sie schreibt über Sido, teure Wimperntusche und die rassistische Frage danach, woher man „eigentlich“ kommt. Mit Zitaten aus Tumblogs, Weltliteratur, TedTalks und S…