Von Anna Belle Jöns
Illustration: Lisa Tegtmeier

Januar 2016: Eigentlich wollte ich mich in diesem Jahr auf einen neuen Job bewerben. Ich bin Mitte dreißig, und Berlin oder Köln kämen für mich genauso infrage wie Paris oder London. Doch nun sitze ich mit meinem Freund im Besprechungszimmer eines Hamburger Onkologen und die Zeit bleibt stehen. „Sie haben eine Raumforderung in ihrer linken Brust. Wir starten mit sechs Monaten Chemotherapie, dann im Sommer Operation und Bestrahlung. Ein Jahr bekommen Sie Antikörper und fünf bis zehn Jahre Tabletten, die Sie in die Wechseljahre bringen. Bei der Operation können wir auch gleich mit dem Wiederaufbau Ihrer Brust beginnen. Haben Sie einen Kinderwunsch?“

Ich verstehe nichts. Das kann jetzt nichts mit mir zu tun haben. Am Abend treffe ich meine WG-Genoss*innen und spreche es zum ersten Mal aus: „Ich habe Krebs.“ Drei Tage später wird mir ein Port unter die Haut implantiert. Ein kleines, rundes Ding mit einem Schlauch dran, der eine dauerhafte venöse Verbindung zu meinem Blutkreislauf darstellt. Darüber

werden mir die nächsten zwölf Monate Medikamente verabreicht. Ich fühle mich nun irgendwie außerirdisch und gründe eine Cyborg-WhatsApp-Gruppe für Familie und engste Freund*innen.

März 2016: Mittlerweile bin ich seit zwei Monaten Vollzeitpatientin. Mein Körper wurde einfach so verschluckt vom medizinischen Apparat. Die Psyche kommt nicht richtig hinterher, obwohl eine Menge lieber Menschen bei mir ist. Ich heule jeden Tag und habe Angst. Wöchentlich gehe ich ins Krankenhaus zur Chemotherapie und treffe auf andere Brustkrebspatient*innen. Während über Stunden Medikamente in unsere Cyborg-Ports laufen, unterhalten wir uns häufig über Brüste. Ich bin dankbar, ihnen zuhören zu können und selbst noch Zeit zu haben bis zur Operation. Viele Betroffene haben die nicht, da sie häufig gleich nach der Diagnose operiert werden und erst dann mit weiteren Behandlungen beginnen.

Nicht bei…