Von Josephine Apraku

„When I’m afraid of something, I make it my best friend, I wrap my arms around it, I study it, I learn, I love it. (…) It’s only scary when you’re on the outside looking in but when you’re smack dab in it it’s not scary“ – Jane Fonda

Mein neues Lieblingsgenre sind Geburtsvideos auf YouTube. Eigentlich ist es eher eine Obsession. Seit einigen Tagen gucke ich mir täglich diverse Videos an, in denen Menschen andere Menschen gebären. Nachdem ich nämlich in den letzten Wochen gearbeitet habe, als wäre ich eine größere Verfechterin des Kapitalismus als Dagobert Duck – meine Tauglichkeit als schwangeres Humankapital habe ich während dieser Zeit mehrfach unter Beweis gestellt –, habe ich nun etwas mehr Zeit. Diese Zeit verbringe ich zu großen Teilen im Bett – mein Bauch ist schwer, mein Rücken schmerzt – und gucke, wie gesagt, völlig fasziniert Videos von Geburten auf YouTube.

© Tine Fetz

Angefangen hatte es im Grunde schon früher: Wann immer ich dachte oder erzählt bekam, etwas sei besonders schwer, unmöglich oder eine besondere Herausforderung, begann ich zu hinterfragen und zu recherchieren. Aus dieser Haltung heraus habe ich angefangen, lange bevor ich mich selbst auf den beschwerlichen Weg dieser Schwangerschaft machte, zu googeln. Denn alles was ich bis dahin über Geburten gehört hatte, assoziierte ich mit Verdammnis und Schmerz, unaushaltbarem Schmerz.

Es war das Jahresende 2012, als ich gebannt, wie ich es als Kind getan hätte, auf einen Bildschirm starrte und mir zum ersten Mal das Video einer gebärenden Frau ansah. Sie, eine Australierin, die schon mehrere Kinder zur Welt gebracht hatte, hatte sich dazu entschlossen, diesen neuen Menschen an der flachen Stelle eines Flusses im Wald auszutragen. Unter der Geburt im klaren Wasser des Flusses, mal liegend, mal kniend, wirkt sie konzentriert und angestrengt. Ich bin zutiefst beeindruckt: einerseits, weil ich wie beschrieben bisher immer nur von schrecklichen Geburten gehört habe. Andererseits, weil ich mir nie zuvor Gedanken darüber gemacht habe, wie selbstbestimmt der Vorgang einer Geburt sein kann.

Die Videos, die ich in den letzten Tagen gesehen habe, sind alle ziemlich unterschiedlich: Einige Geburten finden im Krankenhaus statt, andere am Meer, wieder andere zu Hause, manche im Planschbecken, Geburten von Schwarzen Menschen und weißen Menschen, Geburten in England, Thailand, Australien und Costa Rica, kurze Geburten, spontane Geburten auf dem Rücksitz im Auto, lange Geburten, Menschen, die während der Entbindung lachen, Menschen, die unter der Geburt weinen, Menschen, die voller Erstaunen ihre Kinder in Empfang nehmen. 

Während ich also genüsslich daliege wie eine gestrandete Qualle in der Sonne und Video um Video schaue, lerne ich für mich, dass der „Horror“ weniger in der Geburt selbst besteht. Vielmehr, das nehme ich mit, besteht er darin, dass der Prozess der Geburt ein vulnerabler und mit völligem Kontrollverlust einhergehender Prozess ist, innerhalb dessen gebärende Menschen und deren Autonomie besonders geschützt werden müssen. Dabei ist völlig egal, für was für eine Form der Geburt und Geburtsbegleitung sich eine Person entschieden hat. Wichtig ist, dass eine informierte Entscheidung möglich wird. Ausnahmslos – für alle, die gebären. Unabhängig davon, wer du bist, woher du kommst, welche Ausbildung du hast, welche Sprache du sprichst, über welche finanziellen Mittel du verfügst, wen du liebst, wie du aussiehst und wie alt du bist. Ausnahmslos.

Autonomie ist nur möglich, wenn es Entscheidungsmöglichkeiten gibt, Alternativen bekannt sind und umsetzbare Wünsche von schwangeren und gebärenden Menschen respektiert und ernst genommen werden. In den Videos, die ich mir angesehen habe, ist das zwar weitestgehend der Fall, aber sie sind eben keineswegs repräsentativ. Gezeigt werden in der Regel Personen, die die Möglichkeit hatten, sich vorzubereiten und aus einer Palette an Optionen auszuwählen, die für sie passen. Die Berücksichtigung dieser Wünsche und auch der Zugang zu Informationen dürfen dabei nicht glücklicher Zufall sein, der nur einige wenige Privilegierte trifft.