In diesem Jahr soll das Reboot von „The L-Word“ erscheinen. Als lesbischer Medien-Meilenstein war und ist die Sendung für viele Lesben ein wichtiges Serienerlebnis. Ich habe alle sechs Staffeln gesehen, mich zwischendurch richtig durchgekämpft. Im Gegensatz zu vielen meiner Freund*innen habe ich es aber nicht ertragen, die Serie ein zweites oder gar drittes, viertes oder zwölftes Mal zu schauen. Schuld ist die Darstellung von Jenny Schecter. Die Serie, die für mich als (Jung-)Lesbe durchaus empowernd hätte sein können, war für mich als Jüdin ein Schlag ins Gesicht. Jenny Schecter ist ein schwieriger Charakter – sie ist nicht zum Mögen geschrieben worden. Das ist jedoch nicht das einzige Problem an der Figur.

© Tine Fetz

Jenny, die Schwierige, die Antagonistin

Jenny ist von Beginn an der Charakter, der es einer schwermacht, sich voll und ganz mit ihr zu identifizieren. Sie ist irgendwie unangenehm, man fühlt sich oft nicht wohl mit ihr. Schon diese Darstellung einer Jüdin ist problematisch. Noch schwieriger wird es, wenn man bedenkt, dass es in dem lesbischen Universum von „The L-Word“ selten die heteronormative Außenwelt ist, an der die Protagonist*innen sich aufreiben. Stattdessen ist es fortlaufend immer wieder Jenny. Sie wird wiederholt zur Antagonistin der Serie. Jenny ist der hochgradig trans*phobe Charakter der Serie. Jenny ist DAS Problem. Es ist spannend, eine Serie mit einer Rolle auszustatten, die vielleicht nicht so glatt und nicht so einfach idealisierbar ist wie Shane oder Bette oder Helena, die alle ihren eigenen Glam-Faktor haben. Ein Problem ist es, wenn diese Figur auch gleichzeitig DIE Jüdin ist. Kreativer wäre es gewesen, beispielsweise Shane zur Jüdin zu machen. Das hätte mit gängigen Bildern von Jüd*innen gebrochen und Jenny hätte unsympathisch as hell sein können.

Jennys jüdische Familiengeschichte

Debora Antmann

1989 in Berlin geboren und die meiste Zeit dort aufgewachsen. Als weiße, lesbische, jüdische, analytische Queer_Feministin, Autorin und Körperkünstlerin, schreibt sie auf ihrem Blog „Don’t degrade Debs, Darling!“ seit einigen Jahren zu Identitätspolitiken, vor allem zu jüdischer Identität, intersektionalem Feminismus, Heteronormativität/ Heterosexismus und Körpernormen. Jenseits des Blogs publiziert sie zu lesbisch-jüdischer Widerstandsgeschichte in der BRD, philosophiert privat über Magneto (XMen) als jüdische Widerstandsfigur und sammelt High Heels für ihr Superheld_innen-Dasein.

Jennys jüdische Familiengeschichte steht in unmittelbarer Verbindung mit Missbrauch und Gewalt. Die Rückblenden und Erinnerungsfetzen sind ausschließlich düster. Es gibt kaum positiven Bezug zum Judentum und zu ihrer jüdischen Identität. Sie bewegt sich irgendwo zwischen Tod, Shoah und sexualisierter Gewalt. Das Dunkle, Destruktive, Bedrohliche des Seriencharakters wird immer wieder in Zusammenhang mit ihrer jüdischen Familie(ngeschichte) gebracht. In Staffel 2 sollen das Ritzen und der Job in einem Strip-Club der Beweis für ihr selbstgefährdendes Verhalten sein. Dabei ist zum einen zu kritisieren, dass die Arbeit in einem Strip-Club zum Symbol von seelischer Selbstverstümmelung gemacht wird, und zum anderen, dass mit dem Künstlerinnennamen „Miss Yeshiva Girl“ wieder eine direkte Verbindung zwischen Jennys vermeintlicher Destruktivität und ihrer jüdischer Identität hergestellt wird. Um nur ein Beispiel zu nennen.

Machtgeil, geldgierig, selbstsüchtig und egoistisch

Jenny sticht immer wieder durch ihre egozentrische Performance hervor. Ab Staffel 4 ist Selbstsucht und Egoismus Jennys großes Thema, während sie anschließend als absolut machtgeile und geldgierige Figur gezeichnet wird. Diese Darstellung ist an antisemitischen Klischees kaum zu übertreffen. Genauso wie Jennys Interaktionen mit den anderen Protagonist*innen – absolut grenzüberschreitend und manipulativ. Sich dazu zu entscheiden, ausgerechnet die Jüdin so darzustellen, ist weder neu noch kreativ, es ist einfach antisemitisch.

Jennys Tod

Die Erzählung von Jennys Tod ist übrigens nicht kreativer, sondern eine Geschichte, die Jüd*innen dank europäischer Geschichte schon gut kennen: Keine*r weiß was. Keine*r hat was gewusst. Niemand hat was geahnt. Niemand hat die Verantwortung. Und erst recht nichts gesehen. Der Tod des jüdischen Charakters, der nicht aufgeklärt, für den niemand verantwortlich ist, von dem niemand was weiß und der irgendwie einfach so da ist, ist die Geschichte des jüdischen Todes. Und bitter. Diese Ahnungslosigkeit von dem, was direkt nebenan passiert, das plötzliche Verschwinden, der unerklärliche Tod von Jüd*innen hat eine Tradition, die nicht in ein Serienfinale verwurstet gehört.

Jenny, der Charakter, der nie wirklich dazu gehört hat 

Ganz an Ende sieht man die Protagonist*innen. Ohne Jenny, aber wieder zufrieden, vereint im „Wir“. Und auch wenn Jenny dann später noch dazukommt, bleibt eins deutlich: Jenny gehörte nie wirklich dazu und ist verzichtbar.

Als Jüdin nicht unbedingt ein Serienvergnügen

Ich erinnere mich, dass zu meinen Teenie-Zeiten jede zweite Lesbe auf Partys aussah wie Shane oder sich sogar selbst so nannte. Alle Lesben wurden einem L-Word-Character zugeordent, ob gewollt oder ungewollt. Typ „Bette“ und „Shane“ zu sein war ein Kompliment, „Tina“ zu sein nicht und wer war eigentlich Jenny? Für viele junge Lesben war „The L-Word“ ein Universum, in das sie sich hineinbegeben konnten. Für mich überwog das Unbehagen. Nicht dass ich damals schon so eindeutig hätte sagen können warum, aber Jenny ertrug ich nicht. Ich hatte das schräge Gefühl, Leute könnten mich so wahrnehmen wie sie. Es tat weh, sich die Darstellung der Serienjüdin in der gesamten Negativität anzuschauen. Retrospektiv kann ich sagen, dass es Sinn macht: die Darstellung einer Jüdin als selbstzerstörerische, destruktive, selbstsüchtige, macht- und geldgeile Antagonistin, die nie wirklich dazu gehört hat, und die Erzählung eines Judentums, das nur düster und von Missbrauch und Gewalt geprägt ist und nicht empowernd sein kann – es ist durch und durch antisemitisch.