Von Julia Haas

Es ist ein gelebtes Paradox: Frauen in der Politik seien eher kritisch zu betrachten, so die identitäre Aktivistin und bekennende Antifeministin Annika Stahn im Interview mit Martin Sellner, dem selbst ernannten Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung, auf YouTube. Schließlich sei Politik rational, Frauen hingegen emotional. Stahn geht zwar nicht so weit, das Frauenwahlrecht wieder aufheben zu wollen – doch sollten sich Frauen ihrer Ansicht nach auf ihre „spezifischen“ Themen konzentrieren und den politischen Prozess lieber den Männern überlassen. Ganz anders sieht dies ihre Kollegin Melanie Schmitz, ebenfalls Identitären-Aktivistin, die sich vom antifeministischen Gehabe Stahns peinlich berührt zeigt, wie sie in einem Beitrag auf ihrem Blog schreibt. Ähnlich wie Schmitz haben sich in letzter Zeit starke und selbstbewusste Frauen an vorderster Front rechter Parteien und Gruppierungen etabliert. Politikerinnen wie Alice Weidel oder Beatrix von Storch in der AfD beklagen lautstark den vermeintlichen „Genderwahn“, und auch in anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder Belgien übernehmen Frauen prominente Positionen in rechten Parteien. Das Klischee des „Heimchens am Herd“ ist schon seit Jahrzehnten nicht mehr das einzig denkbare Frauenbild und Aktivismus unter rechten Frauen kein neues Phänomen. Bemerkenswert ist damals wie heute das widersprüchliche, ja fast schon emanzipierte Auftreten dieser rechten Frontfrauen. Wie die US-amerikanische Autorin Susan Faludi in ihrem 1991 erschienenen Buch „Backlash“ (Dt. „Die Männer schlagen zurück“) beschrieb, vertreten Frauen der sogenannten Neuen Rechten eine antifeministische Haltung, nehmen jedoch zugleich Werte wie Selbstbestimmung, Gleichberechtigung oder Entscheidungsfreiheit in Anspruch und integrieren sie sowohl in ihr privates als auch politisches Leben. In diesem Paradoxon bedienen sich die rechten Theoretikerinnen und Aktivistinnen einerseits an – von feministischer Seite erkämpften – Werten und Freiheiten, andererseits wollen sie genau diese in ihre Schranken weisen und die vermeintlich „natürlichen“ Geschlechterrollen von Mann und Frau aufrechterhalten.

In der neurechten Bewegung agieren viele Frauen nach feministischen Prinzipien, die sie qua Ideologie eigentlich ablehnen müssten. Wie geht das zusammen?
©Julia Praschma

Ellen Kositza, neurechte Publizistin und Verlegerin, liefert immer wieder Input für die geschlechterpolitische Denkweise der Identitären. In ihrem

Buch „Gender ohne Ende oder Was vom Manne übrigblieb“ von 2008 philosophiert sie über die Entwertung von Mutterschaft – der „natürlichen“ Rolle von Frauen – und beklagt den Verfall „echter“ Männlichkeit. Ihre Fantasie eröffnet den steinzeitlich anmutenden Wunsch nach einem starken Mann als Beschützer und Jäger. In die gleiche Kerbe schlägt die den Identitären nahestehende, promovierte Philosophin Caroline Sommerfeld- Lethen aus Österreich.

Doch auch die junge weibliche Generation der Neuen Rechten drängt nach vorne. Melanie Schmitz oder Paula Winterfeldt greifen in Deutschland zum Mikrofon und präsentieren sich in den Sozialen Medien, um ihre politische Botschaft so zu verkünden, wie es Brittany Pettibone oder Lauren Southern für die Alt-Right im englischsprachigen Raum tun. Stark und selbstbewusst stehen sie für eine rassistische und misogyne Ideologie ein, die Frauen im Grunde genommen immer noch am liebsten Kinderlieder singen hört. Obwohl sich die Neue Rechte sichtlich darum bemüht, di…