Von Katharina Payk

Bist du behindert, oder was?“ – „Behindert“ als Schimpfwort kennt man nicht nur unter Jugendlichen. Als Bezeichnung für be_hinderte Menschen wurde der Begriff in letzter Zeit jedoch zunehmend durch andere ersetzt: Mit Ausdrücken wie „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ oder „Menschen mit besonderen Begabungen“ versuchen viele, Be_hinderung zu vermeiden, sie loszuwerden, zu euphemisieren. Als gäbe es Be_hinderung nicht, als wolle man sich nicht damit beschäftigen oder als sei der be_hinderte Mensch eine seltene Spezies, die besondere Bedürfnisse hat – nicht ganz normale, menschliche, wie aufs Klo gehen etwa.

Be_hinderung zu sehen und sichtbar zu machen, ist aber sehr wohl wichtig, wenn auch nicht als das „Besondere“, das „Andere“, das „Kranke“, das „Störende“ etc., sondern als eine körperliche, seelische oder kognitive Konstitution von vielen, die von der Gesellschaft ausgegrenzt und behindert wird. Behindert durch ignorante Menschen, denen es egal ist, ob Rollifahrende in einen Raum oder eine Toilette kommen, ob ein nicht hörender oder schwerhöriger Mensch einem Vortrag folgen kann, ob Menschen mit Lernschwierigkeiten den gleichen Zugang zu Bildung haben. Behindert durch Barrieren in Räumen und Köpfen, behindert durch eine Welt, die Körper und Seelen, ja sogar den Geist in krank und gesund, defekt und intakt einteilt. Dass man nicht mehr von „den Behinderten“ spricht, ist einleuchtend, denn die*den Behinderte*n gibt es nicht, und außerdem ist der Mensch ja nicht nur durch eine Be_hinderung charakterisiert. Dies drückt der Begriff „Mensch mit Behinderung“ aus: Es geht um einen Menschen, der, wie jede*r andere auch, viele Eigenschaften hat, darunter eben eine Be_hinderung.

Der Ausdruck „behinderter Mensch“ kann aber noch mehr, nämlich sagen: Ich bin behindert – im Sinne von ich werde behindert! Behindert ist man nicht – behindert wird man. Um diesen von Behindertenrechtsaktivist*innen proklamierten Slogan auch in der alltäglichen Sprache zu verankern und die Behinderung durch äußere Umstände wie Gebäude oder Strukturen sichtbar zu machen, kann etwa der Unterstrich verwendet werden: be_hindert. Oder das H in behindert groß geschrieben werden: beHindert. Hier wird das Hindernis, das dem be_hinderten Menschen aufgestellt wird und das sie*er überwinden muss, deutlich gemacht. Die Barrieren im Alltag und die negativen Zuschreibungen an meinen Körper behindern mich. Schließlich ist die Umwelt das Problem, nicht die Be_hinderung an sich.
Manche schreiben auch einen Stern (Asterisk) wie in behindert* oder Behinderung*, um auf die Konstruiertheit dieser Kategorie zu verweisen. Denn genau genommen kann jeder Mensch zu jeder Zeit krank oder be_hin- dert werden – durch Unfälle, Erkrankungen oder Alter etwa. Auch die Grenzen, ab wann jemand als be_hindert gilt, sind fließend. Der be_hinderte Mensch ist nicht nur be_hindert, sondern immer auch unversehrt, gesund, heil und vollkommen, und nicht zu jeder Zeit spielt die Be_hinderung eine Rolle.

Auch die englischsprachige Konstrukti- on Dis_ability weist auf diesen Sachverhalt hin: Jeder Mensch, der „disabled“ (behindert) ist, ist zugleich „abled“ (fähig) – und vice versa. Auch den Begriff „Menschen mit Ein- schränkungen/Beeinträchtigungen“ wählen viele von Be_hinderung Betroffene für sich. Hier kann die Beeinträchtigung ebenfalls im Außen festgemacht werden. Im Zweifelsfall gilt immer: zuhören, nachfragen und nicht müde werden, über Begriffe zu diskutieren und zu philosophieren.

Dieser Text erschien zuerst in Missy 01/19.