Meine Tage, deine Tage
Von
Von Naira Estevez
Illustration: ZorZor
Eine Firma in Großbritannien hat sie bereits eingeführt, in Frankreich wird zurzeit darüber diskutiert, Initiativen in Russland und Australien scheiterten schon vor Jahren damit und hier in Deutschland haben nur die wenigsten davon gehört: freie Tage für „die Tage“, der sogenannte Menstruationsurlaub.
Dieser ist für Personen gedacht, die während ihrer Menstruation von der Lohnarbeit befreit werden, wenn sie unter damit einhergehenden körperlichen Beschwerden leiden. Wie das im Detail geregelt werden soll, ist eine Frage, zu der es unterschiedliche Überlegungen und Lösungsansätze gibt. In Japan und Indonesien bspw. ist bereits seit Ende der 1940er-Jahre offiziell vorgeschrieben, dass Frauen sich ein bzw. zwei Tage monatlich freinehmen dürfen. Allerdings ist diese Möglichkeit umstritten und wird von vielen nicht genutzt, denn die Betroffenen sorgen sich, dadurch ihren Job zu gefährden. In Italien sollte 2017 ein entsprechender Gesetzentwurf Erwerbstätigkeit für Menstruierende attraktiver gestalten, weil dort eine der europaweit niedrigsten Beschäftigungsquoten von Frauen besteht. Doch auch hier bestand die Sorge, dass ein solches Gesetz Frauen sogar benachteiligen könnte, da sie so durch mehr potenzielle Fehlzeiten unattraktiver für den Arbeitsmarkt werden würden.
Das eigentliche Problem sind also nicht menstruierende Personen, sondern patriarchal geprägte Normen. Als Maßstab für die alltägliche Funktionalität und Arbeitskraft gilt der cis männliche, ableisierte, schlanke, flexible Körper. Frei von Schmerzen und mindestens vierzig Stunden die Woche einsatzbereit. Ein ziemlich spezielles Ideal, das in unserer Wirklichkeit nicht einmal mehrheitlich zu finden ist. Fünfzig Prozent der Weltbevölkerung tragen einen Uterus mit sich herum. Es wäre also ebenso denkbar, diese Körper, mit all ihren charakteristischen Eigenschaften, wie bspw. dem Monatszyklus, als Maßstab zu nehmen. Sowohl bezogen auf unser kapitalistisches Wirtschaftssystem als auch auf alle anderen gesellschaftlichen Strukturen.
Die US-amerikanische Feministin und Journalistin Gloria Steinem hat hierzu bereits 1978 ihrer Fantasie freien Lauf gelassen: In einem Artikel im „Ms. Magazine“ fragte sich Steinem, was passieren würde, wenn plötzlich cis Männer diejenigen wären, die menstruieren. Dann, so vermutete sie, wäre Monatsblut das Symbol ihrer Männlichkeit. Sie würden damit angeben, wer am längsten und stärksten blutet, es gäbe staatlich subventionierte Hygieneartikel umsonst und nationale Institute würden gegründet werden, um Regelbeschwerden den Garaus zu machen. Ziemlich wahrscheinlich, dass in diesem Szenario auch ein paar freie Tage im Monat wegen Menstruationsbeschwerden keine große Sache und vollkommen anerkannt wären.
Der Lösungsansatz liegt also vor allem in den von uns verinnerlichten Maßstäben. Wenn es da einmal Klick macht, sollte es nicht mehr allzu schwierig sein zu akzeptieren, dass menstruierende Menschen mit Beschwerden zeitweise nicht leisten müssen, was andere ohne Weiteres leisten können, weil es ihnen gerade nicht so gut geht. Dafür brauchen wir Vertrauen, Respekt und Anerkennung. Und wir müssen darüber sprechen. Und wenn darüber gesprochen wird, dann sollten wir das, worum es geht, positiv benennen. Mein Vorschlag: Ehrentage.
Dieser Text erschien zuerst in Missy 01/19.