Meine Mama ist Exkatholikin. Sie hasst die katholische Kirche mehr, als ich je etwas gehasst habe in meinem Leben. Und da ist selbst diese eklige Remoulade, mit der Kramps all seine Sandwiches ruiniert, schon mitgedacht. Ihr Hass ist hart, ihr Hass ist verbittert, ihr Hass ist echt. Irgendwie habe ich gelernt, ihren Hass auf die katholische Kirche und/oder das Christentum im Allgemeinen zu akzeptieren und sogar zu respektieren.

©Kamil Szumotalski

In meiner multikulturellen Ostlondonder Schule wurde ich jedoch ziemlich christlich geprägt. Wir ließen zwar jedes Jahr an Diwali unsere Hände mit Henna tätowieren, das Highlight des Jahres war aber das Krippenspiel, bei dem wir Josef und Maria nachspielten. Und jeden Tag beteten wir in der Morgenversammlung zu einem eindeutig christlichen Gott. Wir sangen Lieder über ihn und darüber, wie lieb er uns hatte. Und malten jede Menge Ausmalbilder aus, bei denen es um Noah und die Arche, Jonas und den Wal oder Jesus und Füßewaschen ging. (Im Vergleich zu manchen ostdeutschen Freund*innen bin ich eine wahre Bibelexpertin. Ich mag dieses Gefühl.)

Vielleicht habe ich deshalb eine eher ambivalente Beziehung zu Jesus, zur Kirche und zum Christentum. Meine Mama hat genug Hass für uns beide – ich dafür die Indifferenz. Und als ich auf Social Media zuschaute, wie Notre-Dame brannte, spürte ich diese Ambivalenz ehrlich gesagt auch. Mit einer großen Dosis Indifferenz. „Irgendwie schade um die schöne Architektur“, dachte ich. „Warst du eigentlich damals nur mit der Schule dort oder auch als du Paris zusammen mit deiner Freundin Vivienne besucht hast? Irgendwie sehen alle diese Kirchen gleich aus, oder? Gut, dass hierbei niemand stirbt, ne.“ Und einmal kam auch der böse Gedanke in meinen Kopf: „Die Bilder damals bei 9/11 waren zugegebenermaßen ein bisschen spannender!“

Jesus war bestimmt ein interessanter Mensch, denke ich. Zwar glaube ich nicht, dass er der Sohn Gottes war und auch nicht, dass Maria bei seiner Geburt Jungfrau gewesen ist. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass sie Josef fremdging und diese unbefleckte Empfängnis einfach der gelungenste Kuckuckskind-Betrug aller Zeiten ist. Sie dachte sicher irgendwie, dass sie mit Gottes Kind schwanger sei, das glaube ich schon, und auch, dass Jesus irgendwie dachte, dass Gott sein Vater sei. Und ich denke, die wichtigsten Lektionen von Jesus zählen. Auch wenn man meint, dass er sich in einigen anderen Punkten geirrt hat: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher ins Paradies kommt, gebt den Armen eurer letztes Hemd und liebt eure Nächsten wie euch selbst.

Jacinta Nandi

Jacinta Nandi schreibt über Hausarbeit und Carearbeit, Männer verlassen und alleine erziehen. Ihr letztes Buch hieß „50 Way To Leave Your Ehemann“ und erschien beim Nautilus Verlag.

Dass verschiedene Leuten ausgerechnet das Christentum als Synonym für Weißsein missbrauchen, muss jeden echten Christen ankotzen. Für AfD-Politiker*innen und andere rechte Politiker*innen überall auf der Welt, vor allem in den USA, bedeutet christlich sein eins: weiß sein. Performative whiteness. Nicht muslimisch. Normal! Ich glaube kaum, dass Alice Weidel jemals nur einen Satz in der Bibel gelesen hat – wenn ja, würde sie sofort aus ihrer Partei austreten müssen. Für sie heißt Christsein nur: nicht muslimisch. Ähnlichkeiten zwischen dem Judentum und Christentum werden oftmals beinahe übertrieben betont, während die Ähnlichkeiten zwischen dem Islam und Christentum panisch geleugnet werden.

Ein Kumpel von mir sagte einmal, dass er den Begriff „jüdisch-christlich“ – so im Sinne von „Deutschland ist ein Land, dessen Werte auf jüdisch-christlicher Tradition basieren“ – für islamfeindlich halte. Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, dass es eine antisemitische Behauptung ist, in diesem Land, wo heutzutage nur noch so wenige religiös praktizierende Juden leben. Ich glaube nicht, dass Gott Maria geschwängert hat, und ich glaube überhaupt nicht, dass Jesus am Karfreitag gestorben ist und dann magically am Ostersonntag wieder auferstand. Aber ich weiß, dass er das weniger beleidigend fände als die Tatsache, dass die christliche Religion jetzt ausgebeutet wird, um Hass statt Liebe zu predigen, um Islamhass zu promoten und um White Supremacy zu verteidigen. Schämt euch!