Von Vina Yun

Was haben Hundewelpen, die Sperlingsvögel der Dachsammer und Obstfliegen gemeinsam? Sie alle wurden für wissenschaftliche Experimente eingesetzt, um die Auswirkungen eines dauerhaften Schlafentzugs zu erforschen. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts untersuchte Marie de Manacéine, die als eine der ersten Frauen in Russland ein Medizinstudium absolvierte, die Hirnaktivität während des Schlafs und verfasste 1892 die erste „Schlafbibel“. Sie war es auch, die 1894 erstmals die tödlichen Folgen von Schlafmangel wissenschaftlich – und auf grausame Weise – dokumentierte, indem sie Hundebabys vom Schlafen abhielt. Nach fast sechs Tagen erzwungenen Wachseins verendete das letzte der vier Versuchstiere.

Ob ein Tier ohne Schlaf überleben kann, war auch die Frage, die sich kürzlich Forscher am Imperial College London stellten. Sie präsentierten im Februar 2019 neue Versuchsergebnisse mit der Obstfliege Drosophila melanogaster, die als „erfolgreichstes“

Labortier der Welt zu den bestuntersuchten Organismen überhaupt gehört: Demnach hatte ein ständiger Schlafentzug kaum Auswirkungen auf die Lebenserwartung der Fliegen, die bei rund vierzig Tagen liegt. Die Wissenschaftler schlussfolgerten: Schlaf dürfte nicht zwingend und universell lebensnotwendig sein, wie gemeinhin angenommen. Auch die Dachsammer kann auf ihren Wanderflügen ohne Schlaf auskommen – bis zu sieben Tage lang. Eine Fähigkeit, für die sich auch das US-amerikanische Verteidigungsministerium interessierte. Mit Regierungsgeldern gefördert, erforschten Wissenschaftler*innen die schlaflosen Perioden bei den Tieren, um daraus auf Menschen übertragbare Erkenntnisse zu gewinnen. Das Zukunftsbild: der schlafresistente Soldat. Schon in den Kriegen des 20. Jahrhunderts kamen Amphetamine zum Einsatz, um Soldaten wachzuhalten (wie etwa die berüchtigte „Panzerschokolade“, wie die Pervitin-Pillen der Wehrmacht genannt wurden) – doch nunmehr geht es weniger um das Wachbleiben als um die Reduktion des Bedürfnisses …