Von Vanessa Wohlrath

Spätestens seit der Pfirsichszene aus „Call Me By Your Name“ – Luca Guadagninos Film über eine Sommerliebe im Italien der Achtzigerjahre – haben saftige Südfrüchte noch einmal an erotischer Symbolik gewonnen. Elio, der Protagonist, masturbiert mithilfe eines prallen Pfirsichs und wird dabei von seinem Liebhaber ertappt. Ein tragikomisches Moment, in dem die Angst vor dem Sommerende und damit dem Aus der Affäre omnipräsent ist.

©Marie Schuller

Wie sehr sich dem anderen hingeben, sich verletzbar machen? Fragen, die sich auch die Musikerin Rosie Lowe auf ihrem neuen Album „YU“ stellt. Nicht zuletzt spielt darin die Mango eine wichtige Rolle. Denn dieser süßen „Götterspeise“, wie sie im Hinduismus auch genannt wird, hat die Britin einen verführerischen Song gewidmet. Darin wird die Frau zum aktiv handelnden Subjekt, das sich den Reizen des anderen nicht ausliefert, sondern sich ganz bewusst darauf einlässt. Der romantische Mythos um Liebe und Beziehung beschäftigt die ausgebildete Psychotherapeutin folglich genauso wie die damit verknüpften Stereotype.

Musikalisch schlägt sich dies in warmen und elektronischen Texturen nieder, die uns noch von ihrem Debüt „Control“ aus 2016 vertraut sind. Gleich zu Beginn entwickelt „YU“ einen Sog aus zarten Synthesizern, die sich zu Mauern aufbauen, um schließlich gemächlich in soulige R&B-Stücke zu zerfließen. Allerdings zieht der Rhythmus und wummern die Beats jetzt heftiger, der Zusammenarbeit mit Co-Schreiber Dave Okumu, Jamie Woon, Alfa Mist und Kwabs sei Dank.

Auch die Songtexte sind eindringlicher als zuvor: „Where ‚Control‘ was about self, ‚YU‘ is about relationships and my experience of sharing my life with another as a lover, friend and partner“, erklärt Lowe. Ihr ist während der Arbeiten an dem Album klar geworden, dass solche Erfahrungen auf beiden Seiten bereichernd sein können, solange man sich selbst dabei nicht aus den Augen verliert. Die Single „Pharoah“ ist so ein Aufruf zur Selbstermächtigung und eine Kampfansage an die eigenen Zweifel und Ängste, die genauso einnehmend sein können wie die Lust auf das Unbekannte. Persönlich und voller Soul zeigt Rosie Lowe mit „YU“, wie mutig, intelligent und gleichzeitig anziehend ein Comeback klingen kann.