Von Josephine Apraku

Wenige Tage nach der Geburt brennen meine Nippel wie Hölle. Das Baby saugt so gierig, als wüsste es, dass von ihm erwartet wird, dass es pro Woche mindestens 200 g – zwei Tafeln Schokolade – zunehmen soll. Unterdessen bilden sich auf meinen Brustwarzen kleine Bläschen, die blutig aufplatzen. Mir graut vor den Stillzeiten, weil dieser unerwartete Schmerz mir – buchstäblich – die Tränen in die Augen treibt. Es ist einer dieser vielen Momente, in denen ich mich frage, weshalb ich darauf so schlecht vorbereitet bin, obwohl ich während der Schwangerschaft so viel und gut betreut wurde.

©Tine Fetz

Erinnern kann ich mich an einen Kommentar, der sich mit Beziehungen, Machtstrukturen und Stillen beschäftigt und den ich noch während der Schwangerschaft las. Zusammengefasst wird dort die Perspektive vertreten, dass Stillen nicht-gleichberechtigte Partner*innenschaften fördere, weil mit dem Stillen, so die Annahme, die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit vorprogrammiert sei. Das würde z. B. bedeuten, dass in Beziehungen, in denen Kinder nicht gestillt werden – aus welchen Gründen auch immer – oder wenn die Kinder keine Milch mehr brauchen, die Sorgearbeit gleichberechtigter verteilt ist. Daran habe ich ernsthafte Zweifel.

Ich möchte eigentlich stillen und ringe innerlich mit einem ersten Anflug von schlechtem Mama-Gewissen, weil ich schon jetzt insgeheim aufgeben will. In meinem Kopf die Rechenaufgabe, wie viel Milchnahrung aus der Drogerie pro Tag, pro Woche, pro Monat kostet. Dabei bin ich froh, stillen zu können – alles andere wäre bei meiner derzeitigen BH-Größe, K, auch die totale Verarsche. Und ich finde die Vorstellung, immer den passenden Snack dabei zu haben, der zudem nix kostet, außer dass ich esse, und das ist ja im Leben grundsätzlich ein guter Plan, praktisch. Auch meinen Busen in der Öffentlichkeit auszupacken, stört mich überhaupt nicht.

Schon während ich den Artikel lese, merke ich meinen inneren Widerstand. Nicht etwa weil ich meine, Brustmilch sei das Beste fürs Kind und die Bedürfnisse stillender Frauen*Männer sind deshalb nicht relevant oder dass Babymenschen tatsächlich nur mit Brustmilch groß und stark werden können. Für mich ist Stillen eine von mehreren unterschiedlichen Arten, ein Baby zu ernähren. Stillen ist Stillen, Fläschchen geben ist Fläschchen geben. Beides ist Liebe. Was mich stört, ist die Vorstellung, dass das Stillen an sich Ungleichberechtigung fördert. Diese Meinung teile ich nicht. Machtstrukturen, in diesem Fall sexistische, führen zur ungleichen Verteilung von Sorgearbeit. Ich finde, hier wird Gleichheit mit Gleichberechtigung verwechselt. Am Telefon erzählt meine Mama dazu passend: „In den 50er- und 60er-Jahren war es normal, dass wir Fläschchennahrung bekommen haben. Die Tatsache, dass damals kaum gestillt wurde, hat Frauen nicht zu mehr Gleichberechtigung verholfen!“

Stillen ist zu Beginn, zumindest ist das meine Erfahrung, ein Vollzeitjob. Gerade am Anfang verbringe ich locker sechs Stunden am Tag damit, den Hunger und Durst des neuen Menschen zu befriedigen. Tags und nachts. Nicht anders als bei mir selbst folgt das Hungergefühl von Babymensch Apraku keiner dauerhaften Logik. Manchmal schläft das Kind zehn Stunden am Stück, in anderen Nächten wacht es sechsmal auf und trinkt, als wäre es nach einer langen Reise durch die Wüste das erste Mal.

Klar, hierzulande ist der Druck zu stillen enorm. Das nehme ich auch so wahr. Aber – und das ist ja wesentlich für Diskriminierungen aller Art – wie du es machst, es ist falsch: In der Öffentlichkeit zu stillen und die Titten zu entblößen ist unsittlich oder wenigstens unschicklich. Die Flasche zu geben ist vermeintlich ein Zeichen mangelnder Liebe – Assi-Eltern. Das Problem mit der ungleichen Verteilung von Sorgearbeit in Beziehungen ergibt sich nicht zuletzt aus unserer kapitalistischen Gesellschaft, die der einfachen cis-heteronormativen und biologistischen Logik folgt, Frau kann stillen, Frau übernimmt den größten Teil Sorgearbeit; Mann kann nicht stillen, Mann schafft die Kohle ran.

Auch bei uns zu Hause ist das alles nicht ganz einfach: Ich arbeite – gefühlt mehr theoretisch als praktisch – seit Ende des Mutterschutzes wieder. Wenn ich einen Workshop gebe, muss ich vorher überlegen und ausrechnen, wie viel Milch ich abpumpe, damit das Kind versorgt ist. Zur Arbeit, wenn ich nicht zu Hause arbeite, muss ich die Pumpe mitnehmen, damit die Brüste nicht unterwegs explodieren. Mein Partner muss sich diese Gedanken nicht machen. Gemeinsam müssen wir jetzt, und das ist mit Kind deutlich komplexer als ohne, überlegen, wie wir tatsächlich gleichberechtigt einen Beitrag leisten können.