Von Mithu Sanyal
Illustration: Julia Praschma

Es gibt Verbrechen, die so bescheuert sind, dass ich gar nicht darüber schreiben möchte, um nicht irgendjemanden auf blöde Ideen zu bringen. Dazu gehört Stealthing. Für alle, die gerade kein Urban Dictionary zur Hand haben: Stealthing ist das heimliche Entfernen des Kondoms während des Geschlechtsverkehrs, in der Regel beim Stellungswechsel. Sorry, wenn sich das jetzt mechanisch oder medizinisch anhört oder beides, aber auf jeden Fall nicht nach Intimität. Doch mit Intimität hat Stealthing auch nichts zu tun, sondern mit dem Wunsch, nie wieder intim zu sein mit der Person, die man gerade „gestealthed“ hat.

Denn, da sind sich alle Seiten einig, nach einem erfolgreichen Stealthing hat man erfolgreich weiteren Sex verspielt. In Onlineforen schildern Opfer und Täter übereinstimmend: „Danach war das Geschrei groß.“ Warum also so ein Scheiß? „Ohne ist doch viel schöner!“ Ohne was? Ohne Vertrauen? Ohne Absprache? Ohne Gemeinsamkeit? Schließlich kann es bei Stealthing zur Übertragung von Geschlechtskrankheiten und/oder zu einer Schwangerschaft kommen. Auf jeden Fall aber kommt es zu einem Missbrauch des Vertrauens. 2017 veröffentlichte die US-amerikanische Juristin Alexandra Brodsky eine

Untersuchung dazu im „Columbia Journal Of Gender And Law“. Betroffene erklärten ihr in Interviews nahezu unisono: „Ich weiß nicht, ob das eine Vergewaltigung war, aber …“, oder: „Es grenzt an Vergewaltigung.“ Brodskys Veräffentlichung traf einen Nerv. Viele Medien berichteten über Stealthing als gefährlichen „neuen Sextrend“. Doch Stealthing ist kein Sextrend, sondern ein Verbrechen. 2017 gab es die erste Verurteilung in der Schweiz, und zwar unter Berücksichtigung von Brodskys Artikel. Wisconsin, Kalifornien und New York verabschiedeten Anti-Stealthing-Gesetze. Australien ist gerade dabei, seinen ersten Stealthing-Fall zu verhandeln. In Deutschland gab es im Dezember die erste Verurteilung. Ein Bundespolizist erhielt vom Berliner Amtsgericht Tiergarten acht Monate Bewährungsstrafe und musste 3095,59 Euro an sein Opfer zahlen.

Bloß ist dem Gesetzgeber noch nicht klar, ob es sich bei Stealthing…