Von Mis Chief
Illustration: ZorZor

Noch nie habe ich so viele Komplimente erhalten wie auf meiner letzten Queer-Party – und doch kam kein einziger Flirt zustande. Als gehörte ich zu einer anderen Kategorie Mensch – undatetable quasi. Kim – wir kennen uns flüchtig und finden einander ziemlich heiß – winkt mir strahlend über einen Raum voller Menschen hinweg zu und beginnt, sich mit seinem Getränk in der Hand durch die Menge zu arbeiten. Bis er meinen kugelrunden Bauch bemerkt und auf dem Absatz kehrtmacht. Als hätte er sich in der Person geirrt. So schockiert ist er, dass nicht mal mehr Smalltalk möglich ist. Den ganzen Abend lang höre ich, wie toll ich aussehe, wie schön ich tanze und: „Schwangere Frauen sind einfach sooo schön.“

Illustration: ZorZor
©ZorZor

Schön also, aber nicht sexy. Warum ist das Bild von Schwangeren unvereinbar mit aktiver Erotik, einer promisken Lebensweise oder auch nur einem unverbindlichen Flirt? Haben die überhaupt Sex? Das ist doch sicher komisch mit einem Baby im Bauch. Der Fortpflanzungszweck ist ja auch bereits erfüllt. Schwangere gelten außerdem als „in festen Händen“. Wenn schon Sex, dann bitte ausschließlich innerhalb der romantischen Zweierbeziehung, in der das Küken sein Nest finden wird. Wer schwanger ist und flirtet, sucht – Alarm! – vielleicht nur auf den letzten Drücker ein zweites Elternteil.

Der schwangere Normkörper gilt aber durchaus als schön und sinnlich, nur eben nicht als verführerisch. Das Ideal ist die bildhübsche Frau, die verträumt auf ihren Babybauch herabschaut – eine mariengleiche, reine Gestalt umgeben von einer magischen Aura der Mütterlichkeit. In all diesen Zuschreibungen finde ich mich nicht wieder. Ich habe gerade sogar mehr Lust auf Sex und sehr intensive Orgasmen. Mein Kind bekomme ich in einer Co-Elternschaft mit David, einem guten Freund von mir. Gleichzeitig lebe ich in einer Beziehung mit Leo, die offen ist für sexuelle oder romantische Begegnungen mit anderen Menschen. Meinerseits spricht also wirklich nichts gegen Dating – außer Normvorstellungen, die so mächtig sind, dass sie selbst in queerfeministische Kreise wirken. Auch in mir selbst! In meinem neuen Online- Dating-Profil kann ich angeben, ob ich Kinder habe oder zukünftig mal haben möchte. Die Option „schwanger“ gibt es nicht. Ich lasse das Feld frei. Ich bekomme viele Likes, Matches und Messages – vereinzelt durchaus reizvolle. Ein Treffen wage ich aber nicht. Zu groß ist die Angst vor dem Moment, wenn die Bombe platzt.

Als ich mich mit Amira treffe, die ich schon lange attraktiv finde, komme ich schon fast nicht mehr auf die Idee, dass das ein Date sein könnte. Ich habe den Mut zu flirten verloren. David hingegen datet nach Lust und Laune und genießt die letzten Wochen, bevor das Baby kommt. Ob und wann er dabei erzählt, dass er bald Vater wird, entscheidet er selbst. Die Reaktionen sind meist positiv.

Schwangersein lässt sich trotz bester feministischer Absichten nicht aufteilen – aber die Sicht auf Schwangere können wir verändern. Denn Schwangere sind Personen, die in unterschiedlichen Beziehungsformen leben, unterschiedlich begehren und einem Flirt nicht per se abgeneigt sind. Zu einem sexpositiven Feminismus gehört daher auch eine sexuelle Revolution der Schwangeren.

Dieser Text erschien zuerst in Missy 03/19.