Von Hannah Schultes

Es war Montag, ich hatte Nachtschicht, als sie mich zu einer Besprechung riefen. Ich fragte: ,Soll ich noch meine Arbeit fertig machen oder gleich kommen?‘ Ich sollte erst mal die Arbeit beenden. Gemeinsam mit sechs anderen wurde ich ins Büro zitiert. Dort legten sie mir die Kündigung vor.“ Nurhan Güler erzählt die Geschichte ihres Rauswurfs nicht zum ersten Mal. Sie ist eine von 132 mehrheitlich weiblichen Arbeiter*innen in der türkischen Kosmetikfabrik Flormar, die zwischen März und Juni 2018 ihren Job verloren, weil sie sich gewerkschaftlich organisiert hatten.

©Helen Mackreath

Um die fünfzig Leute sind an einem Donnerstagabend im Februar 2019 nach Berlin-Kreuzberg zur Veranstaltung gekommen, die das Frauen*streik-Komitee Berlin und Labournet TV organisiert haben. Labournet TV, ein Kollektiv von drei Filmemacherinnen, hat einen Kurz-dokumentarfilm aus der Türkei über den Widerstand gegen Flormarauf ihre

Website gestellt, der als Einstieg gezeigt wird. Güler, so erfährt man, hat mit 19 Jahren angefangen, in der Industriestadt Gebze, etwa zwei Stunden von Istanbul entfernt, in der Produktion von Flormar zu arbeiten. Nun ist sie 34. „Ich musste oft Überstunden machen, war von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends in der Fabrik, kam erst um neun Uhr nach Hause. Familienleben war für uns ein Luxus, meinen jüngsten Sohn habe ich kaum gesehen.“

Der Flormar-Widerstand ist mittlerweile unter Gewerkschafter*innen und Feminist*innen international bekannt geworden. Die Belegschaft von Flormar ist zu achtzig Prozent weiblich, auch die Mehrheit der Entlassenen sind Frauen. In den etwas besser bezahlten Positionen arbeiten großteils Männer. In manchen Jahren habe es gerade einmal zwanzig Lira, damals umgerechnet um die fünf Euro, Lohnerhöhung gegeben, so Güter. Arbeitsschutz sei, wie bei so vielen Fabriken und Baustellen in der Türkei, kaum vorhan- den gewesen. Güler arbeitete in der Mascara-Abteilung: „Als ich schwanger…