Von Sonja Eismann

Neben perfekte Bilder perfekter Menschen zeigen kann Instagram auch noch etwas anderes – z. B. die Kunstwelt demokratisieren oder Leuten Zugang zum eher elitären Feld der Lyrik verschaffen, die dort sonst keinen Platz finden. Auch wenn das Literaturestablishment häufig die Nase rümpft über die knackig kurzen, gerne inspirierenden oder aufbauenden Gedichtkacheln, ist es doch ein Fakt, dass Selfmade-Autor*innen wie die unglaublich erfolgreiche Nayyirah Waheed, Lang Leav oder Rupi Kaur als Women of Color, oft mit Migrationsgeschichte, ohne das Genre der „Insta-Poetry“ niemals diese Art internationaler Aufmerksamkeit erfahren hätten – zumal von einem ähnlich diversen Publikum, das sich in deren Erfahrungen wiederfindet.

Yrsa Daley-Ward ©Mike Kobal

Auch Yrsa Daley-Ward, Feministin und LGBTIQ-Aktivistin, gehört zu dieser heterogenen Gruppe. Die Tochter einer jamaikanischen Mutter und eines ihr unbekannten nigerianischen Vaters wurde im Norden Englands groß, zog nach London und verließ schließlich die Stadt, um in Südafrika als Model zu arbeiten. Dort begann sie, Gedichte zu schreiben und diese live zu performen. Nachdem sie ihre Texte in Eigenregie veröffentlicht hatte, sprang der Penguin Verlag 2017 auf den Zug auf und brachte zunächst Daley-Wards Gedichte und ein Jahr später ihren autobiografischen Roman „The Terrible“ heraus, der nun als „Alles, was passiert ist“ auf Deutsch übersetzt wurde. Darin schildert Daley-Ward ihre Kindheit mit der überarbeiteten Mutter Marci…