Von Johanna Montanari und Alisa Tretau

Laut einer aktuellen Studie der TU Chemnitz, die die Beteiligung am ersten weltweiten Klimastreik am 15. März diesen Jahres in neun Ländern ausgewertet hat, waren fast 70 Prozent der 1,6 Millionen Protestierenden weiblich gelesen. Es sind also mehrheitlich Frauen*, die sich zurzeit in der Klimabewegung engagieren. Ist der Feminismus die treibende Kraft hinter der erstarkenden Ökobewegung?

Die Gallionsfiguren der globalen Schüler- und Studierendenbewegung Fridays for Future (FFF) sind auch allesamt junge Frauen*. Allen voran ist da natürlich die 16-jährige Greta Thunberg, die mit ihrem zunächst individuellen Protest, immer freitags die Schule zu schwänzen und zu demonstrieren, die FFF-Proteste inspirierte. Ihre Gegnerschaft wirft ihr vor, ihre Aufrufe und Aktionen seien unrealistisch und naiv. Für ihre Anhänger*innen verkörpert Thunberg jedoch genau das, was sie an der institutionalisierten Politik vermissen: radikale Konsequenzen, um eine lebenswerte Zukunft auf dem Planeten Erde zu ermöglichen.

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Thunberg engagiert sich, seitdem sie acht ist. Sie betont, dass sie, anders als die Älteren, sich um ihre Zukunft sorge. Auf der Klimakonferenz in Kattowitz richtete sich die Schwedin in ihrer Rede, die ihr zu internationaler Bekanntheit verhalf, mit klaren Worten gegen die Unfähigkeit der Politiker*innen: „Ihr seid nicht einmal erwachsen genug, die Wahrheit zu sagen.“ Die Wahrheit ist die herannahende Katastrophe, verursacht durch den Klimawandel.

Eine andere junge Frau* ist zum Gesicht der deutschen Klimabewegung avanciert: Luisa Neubauer, 22, hat Thunberg bereits auf der Konferenz in Kattowitz kennengelernt. Neubauer findet nicht die Schulstreiks, die sie in Deutschland aktiv mitorganisiert, naiv, sondern, die Vorstellung, „dass sich etwas ändert, wenn man sich nicht selbst beteiligt“, wie sie in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ klarstellt.

Auch in Belgien finden seit Wochen massive Demonstrationen und Schulstreiks statt, um die Regierung zum Handeln zu bewegen. Hier hatten die 17-jährige Anuna De Wever und ihre beste Freundin Kyra Gantois im Januar zu einem Schüler*innenprotest aufgerufen: „Als wir angefangen haben, dachten wir, dass höchstens 20 Leute auftauchen würden“, erzählt De Wever heute „BuzzFeed News“. Doch zu der ersten Kundgebung kamen bereits 3000 junge Menschen, mittlerweile protestieren in Belgien jeden Donnerstag bis zu 30.000, mit noch größeren Protesten am Wochenende.

Warum setzen sich anscheinend vor allem junge Frauen* für die Lösung der Klimakrise ein? Eine Erklärung „von innen“ liefert Jamie Margolin. Die 17-Jährige ist Mitgründerin und Geschäftsführerin von Zero Hour, einer Gruppe, die hauptsächlich von jungen Frauen* of Color geleitet wird und die die Klimaproteste in den USA maßgeblich organisiert. Margolin betont immer wieder, dass Frauen* global am meisten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind und sein werden. Dies belegt ein Report der WHO (Weltgesundheitsorganisation) von 2014: Da Frauen* in Familie und sozialem Umfeld meist verantwortlich für die Befriedigung der Grundbedürfnisse sind – sauberes Wasser, Energieversorgung, Lebensmittel –, sind sie stärker betroffen, wenn Naturkatastrophen Infrastrukturen zerstören. Eine Umverteilung von Fürsorgetätigkeiten könnte in dieser Logik also auch zu einer Umverteilung des Engagements für Klimagerechtigkeit führen.

Der Klimawandel wird bestehende Ungleichheitsverhältnisse immer weiter verschärfen, vor allem das zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden, aber eben auch das zwischen den Geschlechtern. Während diese Tatsache jedoch äußerst selten ausgesprochen wird, wenn es um den Klimawandel und seine Folgen geht, hat die hohe Präsenz weiblich gelesener Akteur*innen in der neuen Klimabewegung noch eine Symbolfunktion, die für die breite Bevölkerung im Globalen Norden anschlussfähig ist: Während wir uns hier, wo Umweltkatastrophen bisher noch keine direkten Auswirkungen auf unseren Alltag haben, bis jetzt noch gemütlich von den Ereignissen im globalen Süden abwenden können, stehen die jungen Frauen*, die nun lautstark protestieren, für unsere Zukunft. Dadurch, dass sie jung sind, und dadurch, dass sie es sind, die Kinder gebären können.

Medienwirksam sind vor allem die gut ausgebildeten Töchter der Mittelklasse, die auf die Straße gehen und dabei Schilder hochhalten, auf denen steht: „Ich will keine Kinder, während die Welt untergeht.“ So bekommen es auch ihre Eltern mit der Angst zu tun. Die 33-jährige britische Sängerin Blythe Pepino verkündete im März in der BBC: „Ich mache mir solche Sorgen, dass ich beschlossen habe, keine Kinder zu bekommen.“ Sie gründete die Gruppe BirthStrike und will die freie Zeit, die sie als Kinderlose zur Verfügung hat, dem Umweltaktivismus widmen. Das bringt besonders Konservative auf die Palme, sie befürchten Verbote und Einschnitte in ihre persönlichen Freiheiten.

Auch in den 1980er-Jahren, als die Ökobewegung unter dem Eindruck der ständigen Bedrohung des Kalten Kriegs und nuklearer Katastrophen wie Tschernobyl erstarkte, nahmen sich einige Umweltbewegte und No-Future-Kids vor, keine Kinder zu bekommen. Viele haben es dann doch getan und könnten ihren Nachkommen nun abgeklärte Entwarnungen geben: „Ich dachte damals auch, die Welt sei in Zukunft nicht mehr lebenswert, aber bis jetzt ist es doch ganz gut gegangen.“

Ob das ein Argument sein kann für die jungen Menschen, die heute aus Angst, Wut und Hoffnung auf die Straße gehen, sich vernetzen und gegen die Regeln verstoßen, ist zu bezweifeln. Sie setzen ihre Zukunftsängste strategisch ein, um sich politisch einzubringen. Das provoziert und rückt die Ziele der Fridays-for-Future-Bewegung ins Rampenlicht.

Dass dabei vor allem junge Frauen* Medienöffentlichkeit bekommen, funktioniert deswegen so gut, weil inzwischen auch die breite Masse anerkannt hat, dass Feminismus notwendig ist. Junge Frauen* stehen für ein neues Zeitalter, während, auf der anderen Seite, Antifeminismus und fehlendes ökologisches Bewusstsein Hand in Hand gehen. Zur Erinnerung: In den USA ist ein antifeministischer Klimawandel-Leugner Präsident. Seinen Erfolg in einem Land, das historisch für das Gros der CO2-Emissionen verantwortlich ist, verdankt er möglicherweise genau diesen Einstellungen. Im Gegensatz zu Trump und seiner Garde sind Feminist*innen schon immer Expert*innen für Utopien, für progressive und solidarische Lebensweisen gewesen.

Dass die jungen Mittelklassefrauen* die Herzen der breiten Masse im Globalen Norden eher erobern als Stimmen aus dem Globalen Süden, ist nicht weiter verwunderlich. Der Fokus auf das junge Alter der Akteur*innen oder auf ihre möglichen Kinder bietet eine Brücke zu einer zukünftigen Welt, in der der Klimawandel auch die eigentlich Privilegierten schon zu Opfern gemacht hat.

Um Klimagerechtigkeit zu erreichen, brauchen wir eine konsequent globale, kapitalismuskritische Perspektive. Das ist auch den jungen Frauen* klar, die heute mit ihren Gesichtern für die Protestbewegung einstehen. Oder, wie Jamie Margolin in ihrem Essay „A Future World“ schreibt: „Wenn die Welt sich ändert hin zu einem Ort, der geeignet ist, mehr Menschen aufzunehmen, dann sehe ich mich und meine zukünftige Frau mit Kindern, ich sehe sie aufwachsen in einer Welt, die sich befreit hat von unseren destruktiven, benzinverseuchten Methoden. (…) Patriarchat, Rassismus, Kolonialismus und exzessiver, missbrauchender Kapitalismus, die Ursachen der Klimakrise, werden angegangen worden sein.“