Von Nelli Tügel
Illustration: Judith Weber

„Meins oder deins, was für ’ne doofe Frage.“ So geht der Refrain eines bald fünfzig Jahre alten bekannten Agitprop-Songs des Berliner Grips-Theaters. Heute spielen so manche Eltern dieses Lied ihrem Nachwuchs vor, um die Notwendigkeit des Teilens zu thematisieren. Dabei ging es dem Grips-Theater nicht darum, Kinder zu lehren, auch mal ihre Schippe oder ein Stück vom Keks abzugeben.

Dem Theaterkollektiv ging es um die Beschreibung eines gesellschaftlichen Verhältnisses, um Enteignung und darum, dass es relevantes Privateigentum nicht mehr geben soll, weil dann erst jeder Mensch bekommen könne, was er braucht. „Wäre das nicht fabelhaft? Mein und Dein wird abgeschafft“, heißt es am Ende des Liedes.

Das war Anfang der 1970er-Jahre. Und auch wenn längst nicht alle Zeitgenoss*innen das teilten, verstand doch jede*r die Botschaft. Es gehörte damals zum Allgemeinwissen, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der einige sehr viel besitzen und andere nur ihre Arbeitskraft. Und das wiederum diejenigen, die Lohnarbeit verrichten müssen, den Reichtum derjenigen, in deren Händen sich Kapital konzentriert, vergrößern, ohne selbst jemals etwas von dem erwirtschafteten Profit zu erhalten. Daran hat sich zwar grundsätzlich nichts geändert. Zugleich aber ist das Reden über Eigentum – nicht über den Besitz einer Zahnbürste, schönen Schmucks oder eines Spätis, sondern über Kapitaleigentum – in den vergangenen Jahrzehnten fast völlig aus dem öffentlichen Diskurs verschwunden. Und deswegen ist die Frage „Meins oder deins?“ heute keine „doofe“ Frage, sondern im Gegenteil eine sehr nützliche. Weil sie es ermöglicht, den Fokus darauf zu lenken, wer besitzt und wer nicht, und vor allem, wie beides miteinander zusamme…