Von Laura Méritt

Heiß her ging es zu allen Zeiten der Frauenbewegung. Der Begriff sexpositiv kam in den 1970er-Jahren in Diskussionen darüber auf, wie eine gewaltvolle patriarchale Gesellschaft und das daraus resultierende Bild von Sexualität verändert werden könne. Die Frauenbewegung hinterfragte sexuelle Liberalisierung, strukturelle Gewalt wurde in privaten wie in linken Kreisen thematisiert. Dem Einfluss der Medien wurde zugeschrieben, dass sich normierte patriarchale und kapitalistisch verwertbare Beziehungs- und Sexualitätsmuster verbreiteten. Zusätzlich konditionierten Mainstreampornos die klassische Rollenverteilung der Geschlechter und diskriminieren bis heute abweichende Praktiken und Personen.

In dieser Bestandsaufnahme waren sich alle Flügel der Bewegung einig, die daraus folgenden Aktionen fielen unterschiedlich aus. Ab 1979 gründeten sich antipornografische Gruppen, die tatkräftig und gesetzlich gegen objektivierende und gewaltvolle Darstellungen von Frauen loszogen und ihren Wirkungsbereich auf Prostitution und SM ausdehnten. Das rief Aktivist*innen aus verschiedenen Bereichen in die Öffentlichkeit, die sich als sexpositive Bewegung formierten: Zensurgegner*innen, LGBTI*-Personen, Sexradikale und Aktivist*innen, BDSM und Sexarbeit praktizierende oder befürwortende Feminist*innen und andere antiautoritäre Frauenbewegte. Der sexpositive Flügel setzte auf Sexualität und Bildung, die mit positiven Worten, Bildern und Verhaltensweisen die Gesellschaft verändert.

Die Journalistin Ellen Willis fragte 1981 in ihrem Essay „Lust Horizons: Is the Women’s Movement Pro-Sex?“ und prägte damit den Begriff „pro-sex-feminism“ oder „sexpositiver Feminismus“. Verschiedene Strömungen der Frauenbewegung wiesen darauf hin, dass sich Zensur und Einschränkung von Pornografie gegen die eigene Redefreiheit richten können. Gerade Minderheiten wie Lesben und andere waren oftmals von Restriktionen betroffen. Auch Aufklärungsbücher unterlagen oft der Zensur. BDSMer*innen betonten, Frauen darin zu unterstützen, Macht zu ergreifen und mit verschiedenen Rollen beim Sex zu experimentieren, könne ebenfalls zur Befreiung und Heilung beitragen.

Die Frauengesundheitsbewegung war es letztendlich, die mit einem positiven Zugang zum Körper, zur Sexualität und zu sich selbst den Frauen lang unterdrücktes Wissen zurückgab und sich gegen beschämende und negative Definitionen sowie gegen die Leerstelle Frau richtete, der keine eigenständige Potenz zugeschrieben wurde. (Sexuelles) Selbstbewusstsein und Stärke führen aber zu anderen Lebensentwürfen und untergraben das an Reproduktion und Kontrolle ausgerichtete Herrschaftssystem. Feministische Pornografie greift das Bedürfnis nach vielfältigen sexpositiven Bildern auf, das sich auch aus dem Bewusstsein von Diskriminierungen gebildet hat.

Die sexpositive Bewegung steht heute auf einer breiten Basis und lässt sich mit folgenden Merkmalen aus den Bereichen Gesundheit, Sexualität, feministische Pornografie, Sexarbeit und BDSM beschreiben: Sexuelle Freiheit ist Bestandteil der allgemeinen Freiheitsbestrebungen. Zur Ausübung dieser Freiheit ist ein freier Zugang zu sexuellen Informationen unabdingbar. Einvernehmliche sexuelle Aktivitäten zwischen Erwachsenen – und es existiert eine unendliche Vielfalt an Sexpraktiken – bedürfen keiner Regelung und keiner Bewertung von außen. Sex ist keine Naturgewalt, sondern wie Geschlecht, Identität und Anatomie konstruiert. Wissen macht sexpositiv und Sex können wir lernen. Los geht’s.

Dieser Text erschien zuerst in Missy 04/19.