Von Josephine Apraku

 

Seit mein Instagram-Account vor knapp zwei Jahren gehackt und übernommen worden ist – echt wahr! –, bin ich nicht mehr regelmäßig auf der Plattform. Das ist gut, weil ich nicht mehr ständig auf mein Handy glotze und mir das Betrachten von unendlich schönen Stränden und von Menschen, die gesellschaftliche Schönheitsnormen sogar übertreffen, meine Seele aufisst. Das ist schade, weil Instagram mich mit lustigen Memes und Videos versorgt hat und es eine ganze Reihe feministischer, body-positive, antirassistischer Accounts gibt, die mich jetzt eben auch nicht mehr mit Glück erfüllen können.

©Tine Fetz

Einer meiner aktuell liebsten Instagram-Accounts ist @takebackpostpartum. Ich mag den Account so sehr, weil er der Vielfalt der Erfahrungen rund um die Themen Geburt und Schwangerschaft mit ihren körperlichen Veränderungen Raum gibt. Deutlich mehr Raum als diesen Themen in unserer Gesellschaft zugestanden wird. Es gibt zum sogenannten After-Baby-Body – eine erschreckend hässliche Wortkombination wie ich finde – zwei gegensätzliche Narrative. Alle, die die Erfahrung einer Geburt gemacht haben, sollen sich einer der beiden Varianten zuordnen – Männer sind dieser Logik nach grundsätzlich cis und bekommen natürlich keine Kinder.

a) Ich liebe meinen Körper mit all seinen Makeln, denn er hat ein Wunder erschaffen.
b) Ich hasse meinen neuen Körper mit seiner erschlafften Haut und den Dehnungsstreifen.

Eine Variante c) gibt es nicht. Ich persönlich hingegen brauche dringend eine Variante c). Schon deshalb, weil mein Körper und mein Gefühl mit und in ihm deutlich mehr als seine äußere Erscheinung ist. Ich brauche eine Variante c), um die während der Schwangerschaft gemachten Erfahrungen zu verarbeiten – „OMG!“ *ungefragte Berührung meines Bauches* „so hoch wie dein Bauch ist, ist es auf jeden Fall ein Junge!“ Ich brauche eine Variante c), mit der ich den Raum füllen kann, der sich zwischen der Entstehung von Leben in mir und der gesellschaftlichen Erwartung, nach der Geburt den Eindruck zu erwecken, es wäre nichts geschehen, auftut. Ich brauche eine Variante c), weil während dieser krassen physischen Erfahrung wortwörtlich meine Organe neu arrangiert worden sind. Ich brauche eine Variante c), die mich all die neuen Emotionen, die mein Sein erfassen, greifen und teilen lässt.

Im Wochenbett begleitet mich die Frage, ob ich mich jemals wieder fühlen werde wie vorher. Damit meine ich stark, widerstandsfähig, belastbar, lebendig. Während der Schwangerschaft habe ich mir den Tag der Geburt in der Hoffnung herbeigewünscht, dass mein Körper wieder etwas mehr mir selbst gehört. In der ersten Nacht nach der Geburt, das neue Menschlein liegt neben mir im Bett und wirkt verwundert über die plötzlich veränderte Umgebung, schlafe ich zum ersten Mal nach vielen Monaten wieder auf dem Bauch. Die erhoffte Freiheit fühle ich in diesem Moment. Auch das Sodbrennen, das ich noch am Tag zuvor nur mithilfe eines Medikaments hatte unterdrücken können, ist verschwunden.

Recht schnell bemerke ich, dass mein Körper, wenn auch anders, noch immer der Rückzugsort des Babymenschen ist. Insgesamt sieht die Realität anders aus und fühlt sich anders an: Da ist z. B. die Rektusdiastase – in meinem Fall ein etwa drei Finger breiter Spalt zwischen den Bauchmuskeln, der während der Schwangerschaft Platz für das wachsende Baby geschaffen hat. Über Wochen hinweg begleiten mich Nachtschweiß und allgemeine Weinerlichkeit, weil die Hormone innerhalb kürzester Zeit auf Menopausen-Niveau gesunken sind. What’s not to love?!
Ich fühle mich in dieser Zeit gar nicht. Nicht wie eine Fruchtbarkeitsgöttin, die nackt und mit nass glänzender Haut aus den schäumenden Wogen des Meeres emporsteigt. Auch nicht wie eine mystische Kreatur, deren schreckenerregender Anblick zu ewigem Stein erstarren lässt. Mein Körper ist irgendwie so fremd. Schön oder hässlich, diese Konzepte greifen nicht tief genug.

Auch das vermeintliche Vorher, nach dem ich mich zurücksehne, ist geprägt von Veränderung. Ich habe mich nicht immer gut gefühlt in meinem Körper, nicht immer stark, nicht immer lebendig. Das war ein Prozess und das ist es noch immer. Ich erkenne an, dass ich nicht sein werde, wer ich vor der Schwangerschaft und schließlich der Geburt war – weder körperlich noch emotional. Ich habe eine für mich bedeutsame Erfahrung gemacht, die ich nicht rückgängig machen will. Denn es ist doch so, Leben heißt Veränderung. Immer. Wenn alles gut läuft, werde ich alt und bleibe nicht, wer ich hier und jetzt bin. Das Baby macht es vor, heute mit knapp acht Monaten ist es nicht, wie es mit drei Wochen war.

Ich verabschiede mich vom patriarchalen Fetisch, der sich vorher nennt. Denn wann ist vorher? Als ich 13 war? Oder doch eher 27? Unklar. Dennoch, in meinem Kopf existiert eine Momentaufnahme, ein Schnappschuss aus einer Zeit, in der ich mich körperlich, geistig und psychisch gut gefühlt habe. Dahin will ich. Nicht zurück, sondern nach vorn. Immer nach vorn.