Von Christina Mohr

„I watch it quietly / nothing surprises me“, singt Ilgen-Nur gleich auf dem zweiten Track ihres Debütalbums, halb gelangweilt, halb melancholisch – und interessanterweise ziehen die Songs von „Power Nap“ ihre Stärke aus ebendieser Stimmung, die man nicht wirklich Spannungsfeld nennen kann, sondern eher ennui, Überdruss, gemischt mit einer gehörigen Portion Traurigkeit: „I might be the happiest / when I’m on my own“, heißt es in „In My Head“, zu dem es ein tolles, in New York City gedrehtes Video gibt.

©Constantin Timm

Slackerqueen wird die 23-jährige Wahlhamburgerin häufig genannt, weil es in Ilgen-Nur Boralis Liedern vorwiegend um sie selbst geht, und darum, dass sie auf viele Sachen keinen Bock hat, vor allem nicht darauf, im Alltag möglichst perfekt zu funktionieren. Sie leistet es sich, müde zu sein und introvertiert, also gänzlich unangesagte Eigenschaften heutzutage – und quasi im Halbschlaf die schlauesten Beobachtungen zu machen.
Aber so ganz stimmt das natürlich nicht, denn Ilgen-Nur ist seit gut zwei Jahren höchst aktiv. Mit ihrem von Max Rieger (Die Nerven) produzierten Tape „No Emotions“ (sehr witzig, es ging darin ausschließlich um Gefühle) war die in einem schwäbischen Kaff geborene Songwriterin plötzlich in aller Munde, Tocotronic und Annenmaykantereit luden sie als Tour-Support ein, und ihre gemeinsam mit Drangsal aufgenommene Coverversion vom No-Angels-Hit „Daylight“ ging viral.

Nur das eigene Full-Length-Album stand noch aus: Sie hätte eigentlich schon um einiges früher durchstarten wollen, so Ilgen-Nur, hätten ihr nicht einige Typen vermittelt, sie habe nichts drauf. Diese Phase hat sie glücklicherweise überwunden, und ihre Mitmusiker auf „Power Nap“ sind alle männlich – aber sie spielen ihre Songs, verwirklichen ihre Vision: Bassist Laurens Bauer (Erregung Öffentlicher Erregung), Schlagzeuger Simon Starz und Paul Pötsch von Trümmer, dessen melodisch-intensiver Gitarrensound an klassische Indiebands wie The Smiths, Built to Spill und Real Estate erinnert.

Produziert hat wieder Max Rieger, der Ilgen-Nurs dunkle, warme Stimme deutlich ins Zentrum stellt, aber auch den Musikern genug Raum lässt. Das unterstützt den Bandcharakter, macht das Album rund – die Lyrics sind dagegen durchweg in Ich-Perspektive gehalten. Das Wörtchen „I“ kommt auf dem Album gut 300-mal vor, was nur konsequent ist, schließlich erzählt Ilgen-Nur aus ihrem Leben, von sich als Einzelgängerin, die aber auch mal raus muss, siehe/höre „TV“: „I could be anything, I could be having fun, take me out, take me out“ – in Kürze wird Ilgen-Nur ausgiebig unterwegs sein: Nachdem sie im Sommer verschiedene Festivalbühnen bespielt hat, geht sie Ende September auf große Tour mit über zwanzig Dates.