Auf seinem T-Shirt steht: „No borders, No nations“. Wir essen Burger, es ist unser zweites Date. Wir unterhalten uns, alles ist super. Dann sagt er: „Du kannst so gut Deutsch! Es gibt Leute, die seit 40 Jahren hier leben und nicht so gut Deutsch sprechen wie du!“

Eigentlich höre ich das oft, wenn ich sage, dass ich seit zehn Jahren in Deutschland wohne. Diesmal bin ich überrascht, und es liegt an seinem T-Shirt. Er weiß es nicht, aber er redet von meiner Oma. Sie gehört zu jenen, die nicht gut Deutsch sprechen, obwohl sie lange hier leben. Zwischen ihrer Biografie und meiner liegen Welten.

©Tine Fetz

Meine Oma ging nie zur Schule, sie kann nicht lesen und schreiben. Sie kam in den 70ern nach Deutschland und hatte gleichzeitig mehrere Putz- und Spüljobs. Es gab damals weder Deutsch- noch Alphabetisierungskurse, „diese Integrationskurse sind neu“, sagt sie. Das stimmt, die wurden erst 2004 eingeführt. Sie erzählt, dass es Frauen unter den Gastarbeiter*innen besonders schwerfiel, Deutsch zu lernen: „Sie mussten sich noch um den Haushalt und die Kinder kümmern.“ Männer hatten es leichter.

Ich wuchs bei meiner Mutter in der Türkei auf. Als ich nach Deutschland zog, hatte ich rote Haare, Piercings, war tätowiert. Viele sagten: „Du siehst nicht aus wie eine Türkin.“ Als Kurdin wusste ich nicht, was ich damit anfangen soll. Außerdem, wie sieht eine Türkin aus? Jedenfalls wurde ich offenbar nicht gleich als Ausländerin eingeordnet. Wenn Menschen es erfuhren, waren sie oft „positiv überrascht“, das ermöglichte mir, mich selbstbewusst zu bewegen.

Sibel Schick

ist 1985 in der Türkei geboren und wohnt seit 2009 in Deutschland. Seit 2016 arbeitet sie als freie Autorin, Journalistin und Social-Media-Redakteurin. In ihren Texten provoziert sie gern und bezeichnet sich als ein "offenes, peinliches Buch". Auf Twitter und Instagram ist sie als @sibelschick unterwegs.

Ich habe zwar nicht studiert, aber immerhin die Schule abgeschlossen. Auch ich musste kurz nach meiner Ankunft in Deutschland arbeiten und fand einen Job bei einem Kiosk. Im Gegensatz zu meiner Oma konnte ich nebenbei einen Deutschkurs besuchen. Ich wohnte im hippen Köln-Ehrenfeld, meine Oma wohnte in einem Gastarbeiter*innenviertel. 2011 fing ich an zu kellnern und hatte nur noch mit deutschen Muttersprachler*innen zu tun.

Das Kompliment „Es gibt Leute, die seit 40 Jahren hier leben und nicht so gut Deutsch sprechen wie du!…