Als die österreichische Schriftstellerin Gertraud Klemm 2014 beim Bachmannpreis einen Auszug aus ihrem Roman „Aberland“ las, der im darauffolgenden Jahr erscheinen sollte, fiel in der sonst eher positiv gesonnenen Jury- Diskussion der Ausdruck „Frauenzeitschriften- Aufschrei-Befreiungsprosa“. Der Textauszug – eine intensive Beschreibung des Alltags einer Mutter mit Schreibaby – sei eben ein bisschen banal. Eine Bebilderung der These: Schreiben Autoren über Pflege, Elternschaft oder Alltag, gilt es als existenziell, tun es Autorinnen, ist es das, was Frauen halt tun.
Seitdem hat Gertraud Klemm beinahe im Jahrestakt Romane veröffentlicht, besagtes „Aberland“ etwa oder „Muttergehäuse“, eine intensive, klare und wütende Auseinandersetzung mit Mutterschaft, dem Schwangerwerdenkönnen und Rollenverteilungen in Hetero-Beziehungen.

©Pamela Rußmann, Gertraud Klemm, Missy Magazine 05/19, Literaturaufmacher
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Ihr jüngstes Buch „Hippocampus“ ist nicht ganz so persönlich geworden. Die Schriftstellerin Helene Schulze hat in jungen Jahren einen viel besprochenen feministischen Roman geschrieben – danach: Ehe, Kinder, Alkoholproblem. Finanziell abgesichert, aber ohne weitere literarische Erfolge, stirbt sie. Ein postum erschienenes Buch wird für den Deutschen Buchpreis nominiert. Ihre alte Freundin Elvira Katzenberger, einst in der Frauenbewegung aktiv, jetzt prekäre Lebenskünstlerin, soll ihren Nachlass durchgehen. Elvira beschließt, Helenes Leben – vom Literaturbetrieb missachtet, vom Patriarchat ausgebeutet – zu rächen. Gemeinsam mit dem jungen Kameramann Adrian, der von Feminismus keine Ahnung hat, macht sie sich auf den Weg durch Österreich, um mit plakativer Aktionskunst auf die Bruchstellen in Helenes Leben hinzuweisen. Diese Reise führt sie vom fiktiven bürgerlich-konservativen Kaiserbad bei Wien, wo sie Statuen mit Windeln verkleidet, über das bigott-ärmliche Mühlviertel, wo sie an die Nonne erinnert, die Hel…