Interview: Sonja Eismann

In deinem Comic begleitet ein kleines Mädchen seine philippinische Mutter zur Arbeit ins Altenheim und verbringt dort Zeit mit einer alten deutschen Dame, während ihre eigene Oma auf den Philippinen im Sterben liegt – und ihre Mutter weder Zeit noch Geld hat, um sie ein letztes Mal zu besuchen. Wie kam es zu diesem Setting?
So hat es sich in meinem Leben tatsächlich abgespielt: Als meine philippinische Oma damals im Sterben lag, konnte meine Mutter nicht so spontan fliegen und musste stattdessen im Heim arbeiten.

Kulturstory 4, Missy Magazine 05/19, ©Sheree Domingo
Auszüge aus dem „Ferngespräche“ ©Sheree Domingo

Ist deine Mutter der Dreh- und Angelpunkt von „Ferngespräch“?
Genau genommen sind es meine Tante und meine Mutter, die in meinem – halbautobiografischen – Comic eine Rolle spielen. Zu der Zeit, in der sie als Pflegerinnen nach Deutschland gekommen sind, wurden Pflegekräfte von den Philippinen massiv durch die deutsche Regierung angeworben. Meine Mutter hatte schon eine entsprechende

Ausbildung gemacht, weil sie wusste, dass das ihre Chancen auf ein halbwegs gelingendes Leben erhöhen würde. Zu der Zeit, noch unter der Marcos-Diktatur, gab es kaum Jobs. Sie hätte sich nur verheiraten und Kinder bekommen oder eben als Arbeitskraft auswandern können. Sie wäre gerne Sekretärin geworden – damals unmachbar. Meine Mutter hat es trotz aller Opfer vergleichsweise gut getroffen, sie war bei der Ausreise sehr jung und hatte schon eine Schwester in Deutschland. Sie hat sich hier verheiratet und mich bekommen und konnte so mit mir zusammenleben. Andere Mitglieder meiner Familie haben ihre Kinder teilweise zwanzig oder dreißig Jahre nicht gesehen. Eine meiner Tanten, die jetzt von ihren Ersparnissen wieder auf den Philippinen lebt, hat unter schlimmen Umständen in Saudi-Arabien geschuftet: völlig informell, ohne Anstellung oder Renten- und Sozialversicherung und weit weg von ihren Kindern.

Wurde in deiner Familie viel über dieses Thema gesprochen?
Es war immer präs…