Ich erinnere mich sehr genau an einen Tag im Juli 1986, an dem im Fernsehen die Hochzeit von Prinz Andrew (ja, dem Epstein-Kumpel) und Sarah Ferguson übertragen wurde. Das war in dem kleinen Ort, in dem ich lebte, eine ganz große Sache.

„Seit ich klein bin, waren die einzigen Märchenfiguren, die ich fesselnd fand, Hexen.“ © Julia Kluge

Wie jede andere Durchschnittsfamilie saßen wir an diesem Tag vor dem Fernseher und sahen uns das Spektakel an. Ich langweilte mich zu Tode. Sarah Ferguson war einigermaßen interessant, vor allem ihre roten Haare und ihr Kleid, aber die ganze Hochzeitszeremonie fand ich sinnlos.

Ich verstand erwachsene Frauen nicht. Wozu einen langweiligen Mann heiraten, wenn man doch ein viel besseres und lustigeres Leben führen könnte? Ich kratzte mich am Kopf, auf dem meine zerzauste Lockenmatte verweilte, und schwor mir: „Ich werde niemals heiraten, ich will alleine wohnen, wenn ich groß bin.“ Ich wollte keine Prinzessin werden. Ich wollte lieber eine Hexe sein

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Seit ich klein bin, waren die einzigen Märchenfiguren, die ich fesselnd fand, Hexen: Frauen, die alleinstehend waren, die keine drögen Ehemänner im Nacken hatten, sondern süße Katzen und schlaue Raben, und die auch noch zaubern konnten.

Hexen sind für mich heute der Archetyp unabhängiger Frauen, die sich heterosexistischen Rollenmustern entziehen, sich stattdessen auf ihre eigene Persönlichkeit konzentrieren und leben, wie sie wollen.

Als ich älter wurde, erfuhr ich, dass „Hexen“ auch tatsächlich existiert hatten – nämlich als Frauen und durchaus in Einzelfällen auch als Männer, die im Mittelalter der Hexerei beschuldigt und umgebracht wurden.

Da ich in Nordrhein-Westfalen in einer ehemaligen „Hexen“-Hochburg aufwuchs, wurden wir oft im Schulunterricht auf die unrühmliche Geschichte unserer Stadt aufmerksam gemacht – ich lebte quasi im Salem Deutschlands.

Von nun an war ich nicht mehr nur fasziniert von Hexen, ich fühlte mich ihnen regelrecht verpflichtet, lieh BuÌ…