Von Flora Klein

Finally! Und: warum nicht eher? Die Ausstellung der US-amerikanischen Malerin Lee Krasner (1908–1984) in London und mittlerweile in Frankfurt am Main ruft neben Freude auch Kopfschütteln ob des späten Zeitpunkts hervor. Gehört Krasner doch zu den Wegbereiter*innen des abstrakten Expressionismus und ist eine der eindrücklichsten – da vielseitigste – Vertreterin dieser lyrischen Form der ungegenständlichen Malerei. Einer Stilrichtung, die das New York der Nachkriegsjahre maßgeblich prägte und zum Zentrum des westlichen Kunstdiskurses machte.

Lee Krasner, Shattered Color, 1947, Guild Hall Museum, East Hampton, Long Island. © VG Bild-Kunst, Bonn 2018. The Pollock-Krasner Foundation. Photo credit: Gary Mamay.

Krasners vibrierenden und rhythmischen Gemälde verschreiben sich keinem einschlägigen Look, sondern beinhalten fortwährend changierende Werkphasen. Eine Auswahl dieser ist es denn auch, die in der Ausstellung zu sehen sind, jeweils didaktisch verknüpft mit Eckdaten aus ihrer Biografie. Die zweistöckige Ausstellung, die beworben wird mit einer Schwarz-Weiß-Fotografie der jungen Künstlerin – Sonnenbrille und Anzug tragend – betitelt mit „Lee Krasner. Living Colour“, war längst überfällig.

Der Lokalaugenschein im Barbican Centre förderte Folgendes zutage: Im unteren Raum, der über eine großzügige Ausstellungsfläche verfügt, hängen im vorderen Teil monumental großformatige Malereien aus den 1960er-Jahren. Ein Teil davon ist eine in Ocker- und Weißtönen gehaltene Serie, deren Leinwände mit flockig-faserigen, gekonnt soften Pinselstrichen gefüllt sind. Auf diesen Flächen vereinen sich die paradoxen Zustände von Härte und Weichheit. Bemerkenswert im hinteren Teil des großen Ausstellungsraums ist „Mr. Blue“: Auf rohem Leinen sind energetische Striche mit flüssigem Blau eingezogen, die durch den losen, drippigen Auftrag der Farbe auf das braune Leinen ein zweifarbiges Gemälde bilden. Im Zentrum von „Mr. Blue“ ist ein rundes, strichmännchenartiges Gesicht zu erkennen – was ziemlich frech, extrem gekonnt und insofern bemerkenswert ist, da es beim Malen ungegenständlicher Werke klassischerweise genau das Erscheinen eines „Gesichts“ ist, was es zu vermeiden gilt.

Im zweiten Stock biete…