Interview: Camila Nobrega

Ich beginne mit einer der Fragen, die du immer wieder stellst: „Was brennt sonst noch, wenn der Amazonas brennt?“
Die Heuchelei des universellen Kapitalismus brennt ab, denn sie ist der Treibstoff, aus dem sich das Feuer nährt. Wie können wir über die Brände im Amazonas sprechen und dabei über die Verbrennung von Erdöl schweigen, die die Lebensweise insbesondere der Länder des Globalen Nordens aufrechterhält? Es ist heuchlerisch, wenn diese Debatte die Gewalt gegen nicht-weiße Menschen nicht adressiert. Während der Amazonas brennt, sterben jeden Tag Menschen in den Favelas. Der Tod von Umweltschützer*innen im Amazonasgebiet und von Menschen in den Favelas ermöglicht einer autoritären Regierung in Brasilien, sich zu stabilisieren. Es ist eine Form der Kontrolle. Menschen wie der berühmte Umweltschützer Chico Mendes werden ermordet, die Schwarze queere linksliberale Politikerin Marielle Franco wurde im vergangenen Jahr erschossen.

©Mica Moca / tempelhoferwald.berlin

Wie hängen die staatliche Gewalt in den Favelas und die Brände im Amazonasgebiet zusammen?
Ich schlage vor, die Umwelt als ein Netzwerk zu verstehen, als eine Wechselbeziehung zwischen Menschen und Natur. Wenn indigene Völker, politische Anführer*innen auf dem Land, im Wald und in der Stadt ermordet werden, wirkt sich dies auf Demokratie und Selbstorganisation aus. Die staatliche Repression erschwert das Leben in den ländlichen und urbanen Communitys. In der Praxis ermöglicht die Militarisierung protofaschistischen Kräften, ungestört Feuer im Wald zu legen und Raum für wirtschaftliche Aktivitäten zu erobern, die auf der Ausbeutung der Umwelt basie…