Von Maike Zimmermann
Illustration: Judith Weber

Seit Anfang November berichten Menschen vor allem, aber nicht nur aus Ostdeutschland unter dem Hashtag Baseballschlaegerjahre von ihren – größtenteils traumatischen – Erlebnissen mit Neonazis in den 1990er- und Nullerjahren. So wichtig diese Berichte sind, so schwer sind sie in ihrer Wucht auszuhalten. Denn es geht nicht nur um Schläge, Be- leidigungen, Erniedrigungen und Bedrohungen, sondern auch um das Wegsehen der anderen, um das Im-Stich-gelassen-Werden von weiten Teilen der Gesellschaft.

Mich werfen diese eindrücklichen Berichte zurück in eine andere Zeit. Nach dem Pogrom von Hoyerswerda beschloss ich, gerade mal 15 Jahre alt, zur Antifa zu gehen. Ich hatte das Glück, diese Antifa-Lauf- bahn in einer westdeutschen Metropole einzuschlagen, die mehr oder minder fest in „linker Hand“ war: Hamburg. Das sah im Hamburger Umland schon ganz anders aus. Wie oft bin ich nach der Schule quer durch die Stadt gegondelt, um gegen

die Bundesgeschäftsstelle der FAP (die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei war eine rechtsextreme Partei, die 1995 verboten wurde, Anm. d. Red.) zu protestieren? Oder wir fuhren in die „Brennpunkte“ im nördlichen Niedersachsen, nach Tostedt oder Buxtehude. Oder wir unterstützten die Antifaschist*innen in Mölln, wenn die Neonazis wieder auf dem Herbstmarkt Stress machten – so auch bevor sie bei einem rassistischen Brandanschlag 1992 drei Menschen ermordeten. Die Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) im Jahr 2011 zeigt vor allem zweierlei: Die Gesellschaft reagierte auf die rassistischen Anschläge der 1990er-Jahre mit Betroffenheit und Lichterketten. Wir hingegen waren fixiert darauf, die Strukturen aufzudecken, die Bedrohung abzuwehren, Neonazis zurückzudrängen. Das hieß aber auch: Wir haben nur die Täter*innen gesehen. Die Betroffenen rechter Gewalt sind uns viel zu oft aus dem Blick geraten. Teile diesen Artikel