Knochenjob: Mama
Von
Von Josephine Apraku
Das erste Jahr mit Kind liegt hinter mir. Krass war das hart. In meinem persönlichen Fall liegt das auch daran, dass ich meine Arbeit wenige Wochen nach der Geburt wieder aufgenommen habe. Aus mehreren Gründen: Einer davon ist, dass ich finanziell nicht abhängig sein will. Ein anderer, dass ich mich gut genug kenne, um zu wissen, dass, so schön die Babyblase auch ist, ich meine Arbeit sehr gern mache und sie weitermachen will. Ein weiterer ist, dass ich gegründet habe und das irgendwie auch ein Baby von mir ist.
Mein Arbeitsalltag: früh aufstehen, stillen, ins Büro, versuchen, in die Arbeit zu finden, wieder nach Hause zum Stillen, wieder ins Büro, weitermachen. Oder auch: extrafrüh aufstehen, mit der Bahn in eine andere Stadt fahren, einen Workshop geben – nicht selten mit Abwehr dealen – wieder nach Hause fahren, stillen, Kind ins Bett bringen. Teil dessen ist auch, seit gefühlt einem Jahr keinen Tiefschlaf zu haben – nachts stündlich stillen ist die Regel. Außerdem vor, nach oder zwischen den Stillmahlzeiten Milch pumpen, damit das Kind versorgt ist, wenn ich nicht da bin. In den Workshoppausen pumpe ich übrigens auch, damit meine Brüste nicht explodieren. Zwischenzeitlich habe ich den Eindruck, sie produzierten Milch in dem Versuch, damit den Welthunger zu beenden.
Das Ergebnis ist, dass ich zeitweise so sehr im Stress bin, dass ich dadurch eine kahle Stelle auf meinem Kopf bekommen habe. Alopecia areata – kreisrunder Haarausfall. Es ist nicht so, dass mich das stört, durch meine Locken ist die Stelle gar nicht sichtbar. Aber stolz bin ich darauf, dass ich so überreizt bin, auch nicht. You can’t have it all. Das wusste ich zwar vorher schon, jetzt bin ich aber um die physische Erfahrung reicher oder ärmer – das ist eine Frage der Perspektive (auf meinen Kopf).
Würde ich es noch mal so machen? I don’t know.
Vielleicht stellt sich mir diese Frage auch nicht, weil ich nicht weiß, ob ich bereit bin, auf diese Weise nochmals so raus zu sein. Ich fühle mich körperlich noch immer nicht auf der Höhe, was sicherlich auch daran liegt, dass ich noch immer stille und seit der Geburt noch nicht wieder durchgeschlafen habe. Was ich bezeichnend finde, ist, dass es wirklich wenig Hilfreiches dazu zu lesen/hören/gucken gibt darüber, dass die körperlichen Herausforderungen so nachhaltig sind.
Über den vielerseits verhassten Blog von Gwyneth Paltrow, „Goop“, finde ich dennoch einen Arzt aus Australien, der das Ausgebranntsein der gebärenden Frauen*Männer als „postnatal depletion“ – postnatale Erschöpfung – beschreibt. Er erklärt, dass durch Schwangerschaft, Geburt und das Stillen die Nährstoffspeicher geleert werden und, dass sie oftmals nicht adäquat wieder aufgefüllt werden. Viele Frauen*Männer, die Kinder geboren haben, tragen die Nachwirkungen, z. B. matschiges Hirn, Autoimmunerkrankungen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit, teils für Jahre mit sich herum.
Warum ich darüber schreibe? Weil Erschöpfung und Ausgebranntsein in unserer kapitalistischen Gesellschaft viel zu sehr als positiv betrachtet werden – frei nach dem Motto, wer viel zu viel macht, ist gutes Humankapital und damit ein guter Mensch. Diese Glorifizierung von Stress macht auch vor Gebärenden nicht halt.
Ich möchte das für mich nicht. Ich möchte nicht bis zur völligen Erschöpfung immer und immer weitermachen. Mehr noch als vor der Zeit mit meinem Kind ist mir nun wichtig und bewusst, dass ich für mich selbst da sein, mich um mich kümmern muss. Die Frage in einem Alltag zwischen Kleinkind und Arbeit, in dem die To-dos an mir vorbeizurasen scheinen, ist, wie?