Von Lana Lux
Es war vor acht Jahren. Oder vielleicht neun. Ich lebte jedenfalls bereits seit einiger Zeit in Berlin, als mich eine alte Freundin aus Hamburg besuchte und mir eine Postkarte schenkte. Sie grinste dabei breit, und ich wusste gleich, warum. Die Karte zeigte eine junge Frau mit rundlichem blassen Gesicht wie meinem. Ihr welliges Haar war dunkel und zu einem
kurzen Bob geschnitten wie meins. Sie trug roten Lippenstift, genau wie ich ihn schon damals trug, und in den Händen hielt sie eine offene Puderdose, in deren Spiegel sie sich ernst betrachtete. Ich drehte die Karte um und las: „Russisches Mädchen mit Puderdose“, Lotte Laserstein, Berlin 1928. Das war meine erste Begegnung mit Lotte, die mich sowohl künstlerisch als auch persönlich nachhaltig inspirieren sollte. Natürlich wollte ich mehr Bilder dieser Künstlerin sehen und mehr über ihre Biografie erfahren. Ich suchte danach im Internet und wurde fündig. Schon bloße Fotos von Lottes Gemälden zogen mich in einen ungeheuren Sog. Ein von ihr dargestellter weiblicher Akt ist nämlich so viel mehr als eine Glorifizierung des Frauenkörpers. Es ist die illusionslos-nüchterne Darstellung weiblicher Lebensrealität. Das fasziniert mich bis heute und ist ein zentrales Thema meines bisherigen Schreibens gewesen. In meinen Sprachbildern möchte ich erreichen, was sie in ihren Gemälden erreicht hat: präzise Beobachtung und sch…