Von: Sandra Hilpold
Foto: Ehoud Eitan

Es ist Januar und der Wind pfeift durch die Straßen von Tel Aviv. Avigayil Koevary schneidet in der Küche einer unrenovierten Bauhaus-Wohnung Ofengemüse. Sie wuchs in einem modernen jüdisch- orthodoxen Haushalt auf und ist heute nicht mehr religiös. Seit zehn Jahren lebt die 32-Jährige hier, fühlt sich jedoch immer noch als Gast. „Ich bin eben eine Jerusalem-Type, was hauptsächlich an meinem religiösen Hintergrund und an meinen Freund*innen liegt. Einiges ist da anders und überhaupt ist das ein sehr komplexes Thema“, erzählt sie und lacht. Ein Leben als erfolgreiche israelische Sängerin, Musikerin, Film- und TV-Schauspielerin zu führen, ist für Koevary alles andere als selbstverständlich.

Missy 02/20
© Ehoud Eitan

Gerade arbeitet sie an ihrem vierten Studioalbum und hat wieder Essen für ihre Mitstreiter ins Studio gebracht. Tel Aviv ist teuer und Koevary weiß gute Arbeitsatmosphären herzustellen. Ihre Studiomusiker geben sich viel Mühe und arbeiten honorarfrei. Die Band Koevary besteht, abgesehen von ihr selbst, ausschließlich aus männlichen Musikern. In Tel Aviv, der liberalsten, aber doch kleinen Metropole in Israel, bilden sich erst jetzt Frauenbands.

Neulich hat Koevary bei einem Frauenmusikprojekt mitgemacht. Die Besetzung ihrer Band bleibt aber wie gehabt. Sie kennen sich schon über Jahre, sind gute Freund*innen geworden – und die tauscht man nicht einfach so aus. Frauen mit religiösem Hintergrund, die sich in die israelische Indie- Musikszene wagen, sind bisher selten. Koevary wirkt entspannt und ist besonders aufmerksam. Im Studio treibt sie ihre Leute immer wieder sanft an. Man spürt sofort, dass ihr das Kollektiv wichtig ist. Sie schreibt die Texte und Melodien. Mit Ziv Zac, ihrem Produzenten, arbeitet sie die Songs aus. Alles Öffentliche wie Radiotermine, Interviews und Social Media managt sie. Natürlich ist sie Feministin. „Alle Frauen sollten Feministinnen sein!“, sagt sie wie aus der Pistole geschossen, geht ins Wohnzimmer und macht das Radio an. Skunk Anansie. Koevary freut sich und nickt ihren Kopf beschwingt zur Musik. Auch ihre religiöse Mutter sei sehr feministisch, aber „das ist eben auch ein großer Konflikt“, betont sie. Koevary betreibt…