Text: Paul Dziedzic
Foto: Eamonn McCabe

Ich wurde in den letzten Tagen der alten kolonialen Welt geboren und geformt. Das ist meiner Ansicht nach der Anfangspunkt, von dem aus ich mein Leben erzählen muss, und die Quelle eines merkwürdigen, schwer fassbaren, beständigen Unbehagens“, schreibt Stuart Hall in seiner Autobiografie, die nun auch in deutscher Sprache erscheint. Im Jamaika der 1930er-Jahre geboren und aufgewachsen, zog er mit 19 Jahren nach

Großbritannien, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 2014 lebte.

Stuart Hall gilt als einer der Mitbegründer*innen der Cultural Studies, war der erste Chefredakteur der marxistischen Zeitschrift „New Left Review“ und engagierte sich poli- tisch in der New-Left-Bewegung der 1960er- Jahre, u.a. gegen die atomare Aufrüstung und den grassierenden Rassismus in Londoner Arbeiter*innenvierteln. Sein Unbehagen manifestierte sich zuerst in seiner jamaikanischen Mittelschichtsfamilie of Color, über die er sagt: „Nachträglich scheint es mir, als wurden die großen gesellschaftlichen Spannungen der Nation verschoben und im ‚kleinen Theater‘ unserer Familie neu inszeniert.“ In seinem Fall war es die negative Reaktion seiner Eltern auf antikoloniale politische und kulturelle Unabhängigkeitsbestrebungen, die ihn da…