Von Hengameh Yaghoobifarah
Fotos: Havin Al-Sindy

Am Anfang steht Shahira. Als alleinerziehende Mutter mit wechselnden Sexpartnern, freizügiger Kleidung und einer „Zero fucks given“-Attitüde gegenüber dem Getuschel hinter ihrem Rücken gilt sie im Viertel als Schlampe. Die Männer hängen an ihren Lippen, wenn sie spricht, liegen ihr zu Füßen und tragen ihre Einkäufe nach Hause. Die Frauen hingegen verachten sie, halten sich von ihr fern und schieben ihr die Schuld für familiäre Schieflagen zu. Shahira ist eine klassische MILF, eine „Mom I’d Like To Fuck“. Und ihr Sohn Younes? Schämt sich dafür, ein „Hurensohn“ zu sein.

Shahira ist zwar die Protagonistin in Karosh Tahas Roman „Im Bauch der Königin“, aber keine der beiden vorkommenden Ich-Perspektiven ist ihre eigene. Denn Frauen wie Shahira werden erst durch andere zu dem, was sie sind. Schlampen sind zu allererst Ergebnis von Fremdzuschreibung, danach kommt der Mensch dahinter und eventuell

entsteht daraus eine ermächtigende Selbstbezeichnung. Doch um Shahiras eigene Worte geht es nicht, sondern um sie als Projektionsfläche für zwei Freund*innen von Younes: Amal und Rafiq. Jede*r der beiden erzählt eine eigene Geschichte: Sie findet im selben Viertel irgendwo in Deutschland statt, dieselben Leute kommen vor, ihre Sehnsüchte und Ängste verraten, dass sie ähnlichen Konventionen unterliegen. Ihre Storys sind trotzdem unterschiedlich.

Copyright: Havin Al-Sindy

Liest man das gedruckte Buch, wirkt das Wendecover erst so richtig: Der Roman hat keine Rückseite, sondern zwei Cover und damit zwei mögliche Anfänge. Keiner davon ist richtig oder falsch: Ich kann mit Amals Geschichte beginnen oder das Buch drehen und zuerst lesen, was Rafiq zu erzählen hat.…