Ich könnte an dieser Stelle über die aktuell – zur Zeit der Corona-Pandemie – offensichtlichen Themen rund um Elternschaft schreiben, etwa über die Tatsache, dass die Bedürfnisse und die Interessen von Eltern und Kindern politisch nicht vertreten werden. Darüber, dass rassistische Polizeigewalt mein Gemüt derart trübt, dass ich mich von Nachrichten und sozialen Medien fernhalte, weil mich das als Mama anders betroffen macht. Ich möchte aber nicht. Ich kann nicht, weil ich gefühlt weder einen Anfang noch ein Ende finden würde. Deshalb greife ich etwas anderes auf.

©Tine Fetz

Vor Kurzem besuchte ich mit meiner jüngeren Schwester eine Freundin, deren Kind wenige Monate älter ist als meins. Wir sitzen am frühen Nachmittag in der Küche, ihr Kind schläft, meines sitzt im Hochstuhl und isst. Bei dem Versuch, sich mit der Faust Reis in den Mund zu schieben, verteilt es unweigerlich das meiste davon auf dem Tisch, der eigenen Kleidung und dem Boden. Genauer handelt es sich um Parboiled-Reis, den ich als Mama vor allem zu schätzen weiß, weil er sich anders als Jasminreis gut sauber machen lässt – klebt weniger.

Meine Freundin und ich sprechen darüber, dass es im Grunde unmöglich ist, sich angemessen darauf vorzubereiten, ein Kind zu bekommen. Klar, während der Schwangerschaft geben mir alle möglichen Leute den weisen Rat „vorzuschlafen“ – als ob das ginge. Insgesamt wird mir suggeriert, mein Leben sei mit Kind vorbei. Dass ich schon vorher, ohne Kind, ein Leben gelebt habe, dass in vielerlei Hinsicht den aktuellen Maßstäben des Social Distancing entspricht, wissen offenbar einige Menschen in meinem Umfeld nicht.

Meine Schwester, sie ist einer der liebsten Menschen meines Kindes, sitzt zwischen uns und hört aufmerksam zu. Irgendwann, auch sie isst Reis, legt sie den Löffel zur Seite und fragt, was mich am Mama-Sein am meisten überrascht hat. Für mich ist die Antwort darauf einfach: wie sehr ich einen Menschen lieben kann. Es ist nicht so, als hätte ich damit gerechnet, mein Kind nicht zu lieben, aber ich hätte mir niemals vorstellen können, wie verknallt ich in diese kleine Person bin.

Josephine Apraku

ist nicht mehr ganz so neues Elternteil, macht Bildungsarbeit zu Diskriminierungskritik, schreibt Dinge und gründet gerade neu.

Ich erinnere mich noch an die ersten Wochen nach der Geburt: Immer wieder überkommt mich die Angst, dem kleinen zerbrechlichen Menschlein, das nun in meiner Obhut ist, versehentlich etwas zuleide zu tun. Die Treppen, mit Kind vor den Bauch geschnürt, heruntergehen, stresst mich, weil ich Angst habe, vornüber zu fallen und es beim Sturz zu verletzen. „Plötzlicher Kindstod“ ist in den ersten sieben Monaten Nummer eins auf meiner Google-Suchliste, gefolgt von „Kind im Schlaf überrollen“, gefolgt von allen erdenklichen Möglichkeiten, das Kind zu töten – unabsichtlich.

Meine innige Liebe äußert sich nicht nur in morbiden Gedanken, sondern vor allem darin, dass ich selbst nach den anstrengendsten Tagen nachts neben dem Baby, jetzt Kleinkind, im Bett liege und wahlweise alte Fotos anschaue oder es verzückt beim Schlafen betrachte. Während des Spazierens mit dem Kinderwagen, in Gesprächen mit anderen Personen erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich mein Kind betrachte. Diese Art von Liebe ist für mich neu und ich werde nicht versuchen, sie zu beschreiben, denn sie stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten.

Am wichtigsten für mich ist dabei, mich immer wieder selbst zu reflektieren. Mein Kind nicht einzuengen, es entdecken zu lassen und nicht zu meinen, dass es bräuchte, was ich selbst als Kind vermisst habe. Kurz: mein Kind zu entdecken und als einen eigenständigen und – obwohl im Moment noch immer ziemlich abhängigen – unabhängigen Menschen wahrzunehmen.