Von Charlotte Milsch

Ich hatte dich gefragt, ob du das Interview aufgrund der aktuellen Ereignisse gerne verschieben wollen würdest. Aber du warst da ganz klar, dass du es machen möchtest. Ich will nicht fragen, wie es dir geht, aber magst du erzählen, wie du durch diese Zeit gerade kommst?
Ijeoma Umebinyuo: Es war eine furchtbare Woche mit allem, was in den USA und Nigeria passiert ist. Denn ich habe ja immer zwei Kontinente, mit denen ich mich auseinandersetze. Terror, Hass, Rassismus und Morde sind nicht normal. Ich bin wütend, da ist großer Zorn, auch, weil man sich nicht konzentrieren kann. Wenn Toni Morrison von Rassismus als Ablenkung gesprochen hat, dann meinte sie genau das: weil du ständig denen, die dich nicht als vollwertigen Menschen sehen, deine Menschlichkeit beweisen sollst. Aber wir müssen niemandem irgendetwas beweisen. Wenn mich jemand nicht als

Mensch sieht, der menschenwürdig behandelt gehört, besteht meine Lebensaufgabe nicht darin, ihm das zu beweisen. Dieser Hass, der institutionelle Rassismus, hält so viele Menschen, die aussehen wie ich, davon ab, sich zu entfalten. Immer wieder fragen wir uns: Wie können wir einfach nur existieren? In welchem Umfeld können wir wieder zu uns kommen? Wie ich all das als Schwarze Frau bewältige? Ich versuche nicht nur zu existieren, ich begreife auch, dass ich wachsen und mich entfalten muss.

In deinem Gedicht „Diaspora Blues“ erzählst du von den Schwierigkeiten, dich mit zwei Kontinenten auseinanderzusetzen und „für beides nie genug“ zu sein. Hat sich dieser Blues über die Jahre verändert?
Gewissermaßen, aber er ist immer noch da. Ich habe das Gedicht 2013 geschrieben, als ich nach Nigeria gereist bin. Es war eine traurige Reise für mich, weil ich dort nicht mehr hingepasst habe. Ich war nicht die Ijeoma, die gegangen war. Ich fühlte mich hilflos un…