Von Jessica Ramczik

Das erzgebirgische Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, ist eigentlich wunderschön. Viele Menschen verlassen die Region jedoch wegen der Perspektivlosigkeit, der fehlenden Möglichkeiten und nicht zuletzt wegen der Nazis. Eine der wenigen, wenn nicht sogar die einzige Antifa-Gruppe vor Ort ist Spektrum 360°. Ein Mitglied, das anonym bleiben möchte, bestätigt diesen Eindruck: „Das liegt zum einen daran, dass die Szene, wie in jeder Provinz, enorm klein ist, zum anderen sind die Entfernungen zwischen den Orten riesig. Hinzu kommt, dass ein erdrückend großer Teil der Gesellschaft latent nationalistisch und autoritär ist.“ Schön, aber auch trist, sagen mir Freund*innen, wenn ich sie ins Erzgebirge einlade. Engagierte Feminist*innen sind rar, viele kommen von außerhalb, um hier aktiv zu werden. Christliche Frömmigkeit ist vielerorts zentraler Bestandteil des Zusammenlebens. Wer über das Erzgebirge recherchiert, wird auch immer über den Begriff des „sächsischen

Bible Belts“ stolpern. Ein Schweigemarsch christlich- fundamentalistischer Abtreibungsgegner*innen in Annaberg-Buchholz passt in eine ganze Reihe von Umzügen, mit denen das Erzgebirge immer wieder negativ auffällt. „Bei diesem laufen die Fundis durch Annaberg-Buchholz, um ihr antifeministisches Weltbild zu verbreiten, und speziell, um gegen die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zu protestieren. „Startpunkt ist dabei das Erzgebirgsklinikum in Annaberg-Buchholz, weil dieses die aktuell einzige Anlaufstelle für Schwangerschaftsabbrüche im gesamten Erzgebirgsraum ist“, erzählt mir Sophie vom Bündnis Pro Choice Leipzig, welches seit 2014 jährlich die Demonstration gegen den sogenannten Schweigemarsch christlicher Fundamentalist*innen im Erzgebirge organisiert. Noch vor Pegida-Zeiten beteiligten sich Menschen an Protesten gegen eine Erstaufnahme-Einrichtung für Asylsuchende, die von einem NPD-Funktionär organisiert wurden. Und 2018 folterten Neonazis einen Mann zu Tode, weil er homosexuell war.

Nicht …