Von Florine Pfleger
Illustration: ZorZor

Vor ein paar Jahren kam ich mit jemandem zusammen. Ihre Haare waren länger, die Schuhe drückten höher, und nicht selten hat man mich gefragt, ob ich der Kerl in der Beziehung sei. Ich empfand das als absurd, zwei Frauen zu fragen, wer von beiden der Mann ist. Außerdem hat man mich im Hetenkontext – trotz kurzem Haar – als eher feminin wahrgenommen. Irgendwann wollte ich diese Frau heiraten, und da fragte ich mich plötzlich selbst diese Dinge. Wer macht wem den Antrag? Wir trennten uns, noch bevor jemand auf die Knie fallen konnte, aber auf einmal – zurück im Leben ohne feste Partnerin – wiederholte sich dieses irritierende „wer wen“. Wer schreibt wen an? Wer lädt wen ein? Und wer küsst wen?

In der Schule hat man uns nur die Hetenregeln beigebracht. Es gab keine geouteten Queers im Dorf, die Option bestand in den Köpfen gar nicht. Auch in meinem vorerst nicht. Erobern und erobert werden, ältere Mädchen und Romcoms machten es vor. Schön aussehen,

dauernd über Jungs reden und auf die Initiative warten: auf ICQ, Facebook oder dem Pausenhof. Mädchen, die selbst eroberten, wurden als Schlampen beschämt.
Rollen und Regeln lernte ich also eher nonverbal, bis zu diesem einen Nachmittag. Ein Kerl hatte geschrieben, mich mit dem Moped abgeholt. An einem Spielplatz verlautbarte er seine Beziehungsbedingungen: Er küsst mich immer zuerst, ich komme mit zu seinen Freunden, er fährt mich heim. Ich war zwei Monate mit ihm zusammen, meine Performance war mies. Ich fühlte mich chronisch unwohl, nicht nur wegen des Geschlechts, sondern auch weil ich so bewegungseingeschränkt war.

Missy Magazine 04/20, Sexkommentar, Wer küsst wen,
© ZorZor

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