Die Arbeitsfalle
Kolumnist*in:
Vor Kurzem habe ich eine Mail bekommen, von der ich nicht wusste, dass ich sie brauche. In der Mail stand sinngemäß so etwas wie: „Sorry für den Druck in der letzten Mail, lass dir Zeit.“ Ich bin es so gewohnt, Mails oder Direktnachrichten auf Instagram von mir fremden Personen zu bekommen, die ungefähr so lauten: „Ich hab da eine Anfrage, rufen Sie mich bis heute Abend unter dieser Nummer an“, dass ich es mich überrascht, wenn ich mir dann doch Zeit lassen darf und nicht erwartet wird, meinen Tag nach dieser einen Mail auszurichten. Wenn ich mich nicht innerhalb eines Tages melde, wird noch eine Nachricht hinterhergeschoben. Wenn ich sie doch angeklickt, also als gesehen markiert habe, aber gerade nicht die Möglichkeit habe zu antworten, wird noch ein „?“ geschickt. In den Unterschriften der Mail kann ich wenigstens noch herausfinden, um wen es sich handelt, aber auf Instagram verschwinden die Fragenden in privaten Accounts. Und wer ruft schon eine fremde Nummer an?
Wenn ich über die Kommunikation mit (potenziellen) Arbeitgeber*innen nachdenke, drehe ich mich im Kreis: Ich kann doch dankbar sein, dass überhaupt jemand Interesse an meiner Arbeit hat. Kann ich es mir aus meiner Position überhaupt leisten, so was scheinbar Banales zu kritisieren, und überhaupt, wer sagt schon, dass die Kommunikation einfach sein soll – das gehört ja schließlich zur Arbeit dazu. Arbeit ist nun mal oft anstrengend. Vielleicht ist die andere Person auch einfach nur unter Zeitdruck, vielleicht kann ich ihr ja entgegenkommen. Dann finde ich mich aber häufig in sehr arbeitsintensiven, anstrengenden und ausnutzenden Telefonaten wieder. Telefonate, in denen ich im Gespräch gefallene Fremdbezeichnungen erkläre, in denen ich mir neue Titel für Veranstaltungen überlege, weil ich an Events mit „Weltverbesserung“ im Titel nicht teilnehmen möchte, und dann ohne es zu merken konzeptuell mitarbeite. Und das obwohl ich gerade selbst noch eine Deadline habe oder an meinem freien Tag nach mehreren Stunden Onlineworkshop einfach keine Lust mehr habe, eine Stimme zu hören – aber die Anfrage klang ja dringend. Dann lege ich auf, mit dem mulmigen Gefühl vielleicht ausgenutzt worden zu sein, aber so ganz sicher bin ich mir nicht. Also gehe ich ins Gespräch mit anderen Kulturschaffenden oder Freischaffenden aus der politischen Bildungsarbeit, frage: „Wie ist das bei euch so?“
Telefonate mit den Anfragenden können ermüdend sein, weil man nett und hilfsbereit sein möchte und dann auf einmal Recherchearbeit für die Person am anderen Ende der Leitung macht, weil diese sich nicht ausreichend mit dem Thema beschäftigt hat und „nur mal eine Frage“ hat. Oder weil man drei Mal die Aussprache des eigenen Namens korrigiert, schon raushört, dass man gerade der Token im Projekt ist. Weil man Fragen beantwortet, die sich viel einfacher per Mail beantworten lassen. „Lass kurz telefonieren“ ist schnell per DM verschickt und kommt erfahrungsgemäß oft aus den Positionen in Redaktionen oder Organisationen, in denen wenig oder keine BIPoC und queere Personen vertreten sind und diese sich dankbar fühlen, wenn sich für ihre Perspektive interessiert wird, und man ja auch mal gerne mit denen zusammenarbeiten möchte. Dann ist man dankbar und darauf angewiesen, fühlt sich auch ein bisschen ausgenutzt, weil es für die andere Person nun vielleicht leichter war, für sich selber aber ein vermeidbarer Aufwand.
Klar, Kommunikation gehört immer zu einem Auftrag dazu. Doch, wer kann es sich leisten, (zeitlichen) Druck zu machen? Wer entscheidet über das Kommunikationsmedium? Wer bekommt den Eindruck, sich fügen zu müssen? Zwischen arbeitgebenden Personen und BIPoC und queeren Personen werden hier in den Anfragen und in der Kommunikation die Machtverhältnisse deutlich.