Die Stimme von unten
Von
Fotos/Illustration: Meike Kenn
„Ein Buch zu schreiben stand schon immer auf meiner Bucket List“, erzählt Nura am Telefon aus München, wo sie gerade ihr nächstes Album aufnimmt. „Mir geht es auch darum, die Geschichte meiner Familie festzuhalten. Die Geschichte meiner Mama, die Geschichte meiner Oma und auch die meiner Geschwister.“ Die Geschichte beginnt mit dem Leben ihrer Großeltern, die in Massaua, einer Hafenstadt im heutigen Eritrea, mit ihren vier Kindern leben – bis der eritreische Unabhängigkeitskrieg gegen Äthiopien beginnt und sie fliehen müssen. Erst ins Landesinnere, dann in den Sudan, bis sie in Kuwait City landen. Dort heiraten Nuras Eltern. Mit vier Kindern flieht die Mutter einige Jahre später, ohne Ehemann, vor dem Zweiten Golfkrieg nach Deutschland, wo Nuras Großeltern und Onkel schon seit einigen Jahren wohnen. Als Kind zieht Nura zunächst mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern von Asylheim zu Asylheim, bis sie schließlich in einer eigenen Wohnung in Wuppertal bleiben können. Nura beschreibt das enge Verhältnis zu ihrer Familie und deren Zusammenhalt, eine Zeit lang wohnt die Familie auf engem Raum bei ihren Großeltern. Auch Religion spielt in der muslimischen Familie anfangs eine große Rolle. Dass Nura mit religiös begründeten Vorschriften ihrer Eltern nicht viel anfangen kann, merkt sie spätestens, als diese ihren Freizeitaktivitäten im Weg stehen. Ihr wird klar, dass sie weniger darf als andere Jugendliche in ihrem Alter. Nura hinterfragt Geschlechterrollen, bekommt keine zufriedenstellenden Antworten, führt „ein regelrechtes Doppelleben“ und begehrt auf: Als „richtige Punkertante“ hört sie Slipknot und Korn, legt sich eine Ratte zu und läuft zusammen mit einer Freundin von zu Hause weg. Einen richtigen Plan gibt es nicht, sie werden von der Polizei aufgegriffen und Nura landet in einem betreuten Wohnheim für Jugendliche.
Die Autobiografie liest sich wie eine typisch rebellische Coming-of-Age-Story, in der sich die Protagonistin gegen mobbende Mitschüler*innen und verständnislose Erwachsene behaupten muss, dabei einige Rückschläge erlebt, in die einsame Außenseiterinnenposition gedrängt wird. Sie fragt sich, warum sie nicht alles haben kann: Kontakt zu ihrer Familie und die Freiheiten, die die anderen haben. Dass ihre Familie Schwarz und muslimisch, mehrfach geflohen ist und ständig zum Amt muss, um die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, macht ihre Geschichte nur interessanter für ein anderes Publikum. Schon der Buchtitel „Weißt du, was ich meine?“ stellt die Frage nach Relatability, und sie macht klar, an wen sie gedacht hat, als sie sich ans Schreiben machte:„Wenn ich eine 15-jährige Jugendliche wäre, die teilweise so aufgewachsen ist wie ich, dann würde mir dieses Buch ein bisschen Mut geben. Es ist einfach schön, die Story einer Person mit muslimischem Background zu hören, die nicht ‚normal‘ ist. Es gibt nicht immer nu…