Interview: Josephine Papke
Fotos: Ulrike Rindermann

Joy Denalane, die seit über zwei Dekaden eine feste Größe im deutschen Musikbusiness darstellt, ist nun die erste deutsche Künstlerin, die ein Album beim legendären US-amerikanischen Label Motown veröffentlicht. Im Gespräch mit Missy erzählt sie, was sie antreibt, Musik zu machen, was Liebe für sie bedeutet und was sich als Schwarze Musikerin für sie in zwanzig Jahren Musik-Business verändert hat – oder eben auch nicht.

Interview Joy Denalane
© Ulrike Rindermann

Was bedeutet es für dich, die neue Platte bei einem Label zu veröffentlichen, das auch schon Größen wie Stevie Wonder oder Diana Ross unter Vertrag hatte?
In meinem Elternhaus haben wir viel Soul, Funk und Jazz gehört, ich kehre also mit meinem neuen Album eigentlich zu meinen musikalischen Wurzeln zurück. Trotzdem war ich total überrascht, dass Motown mit mir zusammenarbeiten wollte! Ich bin sehr glücklich und dankbar, die erste deutsche Musikerin zu sein, die sie unter Vertrag genommen haben. Denn ich bin ja einfach nur Joy, der das nun passiert.

Dein neues Album heißt „Let Yourself Be Loved“, das große Thema darauf ist die Liebe. Liebe ist ein vielschichtiger Begriff, was verstehst du darunter?
Liebe ist keine Selbstverständlichkeit. Eigentlich ist geliebt werden und zu lieben das grundlegendste Bedürfnis des Menschen und doch hat nicht jeder Liebe in seinem Leben.  Ich bin froh, dass ich schon von klein an immer sehr viel Liebe erleben durfte. Liebe bedeutet Rückversicherung. Es ist wichtig für uns alle, das Gefühl gespiegelt zu bekommen, dass wir okay sind, so wie wir sind. Dass wir liebenswert sind. Genug sind. Ich glaube viele Menschen können Liebe in ihrem Leben nicht zulassen, da sie selbst das Gefühl haben nicht liebenswert genug zu sein. Ich wünsche wirklich jeder Person Liebe in ihrem Leben, denn Liebe ist etwas Besonderes. Und doch ist Liebe irgendwie das Grundgefühl, das uns Menschen am Laufen hält. Liebe ist Teil unseres Motors.

In dem Song “Put in Work” singst du: „I was born with stars in my eyes / That’s just what I thought I was meant to be.“ Wusstest du schon immer, dass du Musikerin werden möchtest?

Ich wusste als Kind noch nicht, dass ich Musikerin werden will. Aber ich hatte schon immer ein gewisses Grundgefühl in mir, dass mich dazu angeleitet hat, etwas Besonderes anzustreben. Viele Frauen sind leider oft sehr unsicher, was an bestimmten gesellschaftlichen Vorstellungen und Erwartungen liegt. Außerdem wachsen wir mit dem Druck einer Leistungsgesellschaft im Nacken auf, dass man sich ständig selbstoptimieren muss und mit anderen im Wettbewerb steht. Als ich aufgewachsen bin gab es das Internet ja noch nicht, es gab nicht so viele Möglichkeiten mich zu vergleichen, was das Ganze sicher einfacher gemacht hat, als es heute für viele ist. Nichtsdestotrotz habe ich immer eine gewisse Grundstärke in mir gespürt. Ich habe mich schon immer ein bisschen anders gefühlt als die anderen. Es hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass ich anders aussah. Sich in so einer exponierten Rolle wiederzufinden, prägt natürlich. Aber es war nicht nur das. Von klein auf habe ich einen Antrieb gespürt, der mich anleitete, etwas Tolles zu machen. Ich hatte das Gefühl, alles machen zu können, was ich wollte.

Innenteil, Interview mit Joy Denalane, Missy Magazine
© Ulrike Rindermann

Ein Video zur Single „I Believe“ wurde bereits vorab veröffentlicht, dort treffen verschiedene Generationen aufeinander. Das Cover des Albums zeigt zwei junge Schwarze Mädchen, die sich im Arm halten. Welche Bedeutung haben generationsübergreifende Konzepte, Familie und Community für dich?
Ich habe schon immer meine Identität und meine Rolle in der weißen Mehrheitsgesellschaft thematisiert und musikalisch verarbeitet. Familie dabei abzubilden ist mir sehr wichtig. Das Cover meines neuen Albums zeigt meine Nichte Elli Lou, nach der ich bereits ein Lied auf meinem letzten Album benannt habe, und ihre kleine Schwester. Durch sie kann ich meine Schwarze Identität ein weiteres Mal zeigen und zelebrieren. Auch bei meiner ersten Platte „Mamani“ ging es um generationsübergreifenden Halt, um weibliche Ancestors.

Auf deinem Instagram Profil lässt sich ebenso ein Community Gedanke erkennen. Du zeigst dich viel neben anderen Menschen, so z.B. neben der Rassismus-Expertin Tupoka Ogette oder der Nachwuchsmusikerin Ilgen Nur. Wie wichtig ist es dir, deine Plattform zu teilen?
Ich interessiere mich für andere Geschichten, deswegen zeige ich mich auch oft mit anderen. Ich will wissen, was für interessante Persönlichkeiten es gibt. Meine eigene Entwicklung bereichert das ungemein. Für mich ist nichts schrecklicher als das Gefühl zu haben, man ist fertig, man hat alles getan, alles gesehen und jetzt kann man sich zur Ruhe setzen. Ich finde einfach die Welt sehr spannend, ebenso schrecklich, aber auch spannend.

Das Album erscheint zu einer Zeit, in der die Black-Lives-Matter-Bewegung im öffentlichen Diskurs so viel Gehör findet, wie noch nie zuvor. Erlebst du dadurch einen anderen Umgang mit dir als Schwarzer Musikerin in Deutschland?
Ich wurde immer schon zu meinen persönlichen Rassismus-Erfahrungen ausgefragt. Das hat sich nach wie vor leider nicht verändert. Im Zuge der Black-Lives-Matter Bewegung erreichten mich erst recht wieder besonders viele Anfragen. Ich beantworte diese aber nicht mehr. Ich habe keine Lust auf die Objektifizierung meiner persönlichen Rassismus-Erfahrungen. Es ist großartig und enorm wichtig, dass nun eine Wissenschaft vorhanden ist, die sich mit Rassismuserfahrungen auseinandersetzt und an die Stelle von ausschließlich persönlichen Erfahrungen rückt. Vor zwanzig Jahren hatte sich in Deutschland noch keine Sprache für diese Erfahrungen entwickelt. Nun gibt es wahnsinnig viel Vokabular, das dabei hilft, Probleme zu verbalisieren und dadurch konkret Lösungsstrategien benennen zu können. Ich bin froh, dass es nun Expert*innen gibt auf die ich verweisen kann. Mit Rassismus muss ich mich trotzdem zu jeder Zeit auseinandersetzen. Dadurch entsteht eine bestimmte Grundskepsis, die mich vorbeugend vor Diskriminierungserfahrungen schützen kann. Aber ich muss immer achtsam sein. Ich glaube das ist etwas, was Leute, die das nicht kennen, nie hundertprozentig nachvollziehen können. Was das für eine Anstrengung im Leben bedeutet. Wie einen das zermürbt. Es ist nichts, an das man sich gewöhnt. Es wird eigentlich immer schlimmer. Einen ultimativen Schutzmantel, den man sich überwerfen kann, gibt es nicht. Und das ist natürlich schade, dass wir als Schwarze Personen so leben müssen.

Ist Liebe und vor allem Selbstliebe für marginalisierte Personen also immer politisch?
Liebe ist für mich schon immer etwas Politisches. Das zieht sich durch mein ganzes Leben. Von der Beziehung meiner Eltern, über meine eigene Beziehung, bis zu meinen Kindern. Es gibt keine Zeit, in der ich die politische Seite einer Liebe exkludieren kann. Natürlich gibt es Gefühle und Momente, die man teilt, die intim sind. Aber es gibt diese bestimmte Brille, die ich aufhabe, die immer reflektiert wie einen andere sehen, wie sie einen behandeln und was das für die Beziehungen bedeutet. Diese Brille trage ich nicht 24/7. Aber sie ist immer da. Wenn ich sie gerade nicht aufhabe, dann ist sie in meiner Tasche.