Liebe Alle,

nachdem wir in den sozialen Medien Kritik für unsere Praktikumsausschreibung bekommen haben, ist es uns sehr wichtig, darauf zu reagieren. Bitte habt Verständnis dafür, dass dieser Prozess ein wenig Zeit in Anspruch genommen hat.

Wir wurden dafür kritisiert, dass Menschen, die bei uns ein Praktikum machen, nur eine Aufwandsentschädigung von 250 Euro im Monat erhalten. Das, in Kombination mit dem Zusatz, dass marginalisierte Menschen besonders zur Bewerbung ermutigt werden, hat euch teilweise wütend gemacht. Das können wir gut nachvollziehen. Wir verstehen auch, dass ihr an uns mit einem anderen Gerechtigkeitsanspruch herantretet, weil wir uns inhaltlich mit Fragen von Klassismus und dessen Intersektionen mit anderen Diskriminierungskategorien beschäftigen und gesellschaftliche Kritik üben. Aber: Wenn wir im Heft neoliberale Strukturen kritisieren, geschieht das nicht aus einer Blase heraus, die sich auf magische Weise außerhalb vom Kapitalismus befindet. Leider lebt auch Missy von der Selbstausbeutung vieler engagierter Menschen.

Eure Kritik nehmen wir dennoch ernst und wir schätzen euer Feedback, euren Einsatz dafür, dass Strukturen gerechter werden – auch unsere. Wir finden es auch wichtig, in den Dialog über Bezahlung bzw. Nicht-Bezahlung zu kommen. Denn davon, nicht über Geld zu sprechen, profitieren nur die Menschen, die ohnehin mehr verdienen.

Nun zu unserer Ausschreibung. Wenn wir schreiben, dass wir an Lösungen arbeiten, dann meinen wir das genauso so und in jeder Hinsicht: Es ist nicht perfekt. Noch sind die Räumlichkeiten nicht vollständig barrierefrei, aber zumindest zugänglich und vieles ist bei uns im Homeoffice möglich. Zudem können Menschen je nach ihren Bedürfnissen flexibel bei uns arbeiten, was auch bedeutet, dass wir von jeher darauf achten, dass genug Zeit für (andere) Lohnarbeit bleibt, falls sie finanziell notwendig ist – auch das macht die Situation finanziell noch lange nicht gerecht, aber zumindest um einiges tragbarer als in anderen Verlagen, die von einer ebenso schlecht bis noch schlechter oder gar nicht bezahlten 40-Stunden-Woche im Praktikum ausgehen. Und selbstverständlich erhalten bei uns nicht nur bei der Vergabe von Praktika, sondern bei jeder Stellenausschreibung Menschen den Vorzug, die Mehrfachdiskriminierung erfahren – was, so haben wir zumindest den Eindruck, sehr wenige andere Medien tun.

Natürlich würden wir auf eure Kritik am liebsten antworten: „Danke für euer Feedback, darüber hatten wir noch nie nachgedacht, natürlich zahlen wir ab jetzt Mindestlohn für ein Praktikum.“ Leider geht das nicht, denn wie so viele politisch engagierte, idealistische Projekte arbeiten wir immer am Limit. In jeder Hinsicht, leider auch finanziell. 

Die Bezahlung einer Praktikumsstelle beim Missy Magazine ist nicht unabhängig von der restlichen Missy-Struktur zu sehen. Ergo: wir zahlen unseren Praktikant:innen so viel, wie wir gerade können. Sobald es mehr sein kann, wird es mehr sein. Das gilt auch für uns selbst und für unsere fantastischen Autor:innen, Illustrator:innen, Fotograf:innen. Die Struktur von Missy ist so angelegt, dass finanziell positive Zeiten sich so schnell wie möglich in den Gehältern der Menschen, die Missy machen, widerspiegeln. 

Darum machen wir gefühlt jede Woche eine neue Marketingaktion – nicht, damit sich irgendjemand die Taschen vollhaut oder in einer überdimensionierten Struktur Massen von Kohle verbrannt werden, sondern damit unser feministischer Journalismus einerseits unabhängig sein kann und andererseits die Leute, die diesen produzieren, nicht prekär leben müssen. Die Unabhängigkeit steht, das mit dem Aussetzen von Prekarität noch nicht ganz. Aber wir arbeiten dran, auch mit eurer Unterstützung, für die wir euch sehr dankbar sind. 

Wir sehen solidarische Kritik auch als eine Form des Supports an und schätzen das sehr. Lasst uns unbedingt darüber sprechen, wer für was in dieser Gesellschaft wie viel Geld bekommt, warum (linker, unabhängiger, feministischer) Journalismus etwas ist, was notorisch unterfinanziert ist, welche antikapitalistischen Geschäftsmodelle es im Kapitalismus gibt und wie kleine Magazine wie wir nicht in den nächsten Jahren einfach sang- und klanglos verschwinden, wie so viele andere zuvor.

Hustlen für euch weiter!
Eure Missys