Von Katrin Gottschalk und Dominique Haensell

Es ist erdrückend heiß. Glücklich ist, wer einen Fächer hat. Alle anderen wedeln sich behelfsmäßig mit Papierflyern Luft zu. Aus den Boxen pumpt Classic House. In der Mitte des Raumes: ein langer, schmaler Laufsteg mit neongelben Streifen. Drumherum schwitzende Menschen wie bei einer hochsommerlichen Fashion Show. Dann ertönt die Stimme der Moderatorin Zoe Melody mit dem Kommando: „Do the Runway!“ Solange Adjakoh betritt den Catwalk. Als sie den leicht durchsichtigen, weißen Morgenmantel über ihrem Badeanzug im Laufen öffnet und fallen lässt: Jubel und Klatschen aus dem Publikum. Höchste innere Anspannung, akrobatische Körperspannung und eine betont selbstbewusste Mimik – Voguing bedeutet absolute Selbstbeherrschung. „Fierce“, kämpferisch, muss die Tänzerin sich präsentieren. Es gelingt: Solange bekommt drei Schatztruhen von der Jury – Bestnote. Sie hat sich soeben für die nächste Runde des Wettbewerbs in der Kategorie „Runway“ qualifiziert. Es ist Samstag und Tit Bit Ball im Berliner Südblock, zentraler Ort der alternativ-queeren Szene Berlins. Und heute ist nicht irgendein Ball. Es geht um die richtige Pose, um Realness – ums Voguing eben.

Einen Tag nach dem großen Abend sitzt die 21-jährige Solange im Berliner Tanzstudio motion*s. Lässig breitbeinig, weil’s bequemer ist, klitschnass von dem Workout-Kurs, den sie gerade gegeben hat. Ganz anders als auf dem Catwalk. „Es gibt beim Voguing oft Leute, die wirken im Alltag ganz unauffällig und rasten dann bei der Performance total aus“, erzählt Solange. Unscheinbar ist die in Berlin Geborene abseits des Runways nicht, aber ihre Verwandlung ist trotzdem erstaunlich. „Ich bin eigentlich eher burschikos, ein Tomboy.“

© Verena Brüning

Das Voguing hat Solange vor vier Jahren bei den Berliner Streetdance-Meisterschaften kennengelernt. „Da kamen zehn Beauties in den Raum, die dich mit ihrem Set weggebasht haben!“ Eine von diesen Frauen war Georgina Philp. Oder auch: Leo…