Auf der Queermes
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Fotos/Illustration: © Lujàn Augusti
Als Kind habe ich viel Zeit auf der Kirmes verbracht. Und das nicht nur auf der mehrmals im Jahr stattfindenden Dorfkirmes, mit Zuckerwatte, Autoscooter und Dosenwerfen. Mein Vater verkaufte Holzspielzeug auf Märkten und Kirmessen – für uns Kinder ein Traumjob, dem wir nur zu gerne hinterhergereist sind. Riesenräder, Wilde Maus, Wasserbahn, Spiegellabyrinth und Geisterbahn. Da kenn ich mich aus, da fühl ich mich zu Haus. Klingt nach einem Spruch, der bei meinen queeren, linken, intellektuellen Freund*innen wahrscheinlich ungefähr so viel Augenrollen hervorrufen würde wie der Gedanke an Dorffeste. Noch heute, wenn ich zufällig über einen Weihnachtsmarkt oder eine Kirmes stolpere, wärmt sich mein Herz und ich gerate ins Schwelgen – sehr zur Belustigung meiner jeweiligen Begleitung.
Aber jetzt bleiben diese zufälligen Begegnungen aus. Die COVID- 19-Pandemie lässt die Riesenräder stillstehen, und in der trauernden Lokalpresse folgt eine Nachricht auf die andere: „Cranger Kirmes in Wanne-Eickel abgesagt“. Auch die Wendener Kirmes, die jedes Jahr bis zu 300.000 Besucher*innen in einen Ort mit knapp 20.000 Einwohner*innen zieht, fällt aus. (Und dies – mit Ausnahme vom Zweiten Weltkrieg – zum ersten Mal seit 1752!) Für die Schausteller*innen und Markthändler*innen ist das, wie für viele Selbstständige derzeit, eine existenzielle Katastrophe.
Der Rettungsschirm wird nicht für alle aufgespannt. Für die Lufthansa hat es gerade noch so gereicht, neun Milliarden Euro ohne Klimaschutzauflagen. Der Horror der Herrschenden. Zur Ablenkung würde ich sehr gerne wieder einmal Geisterbahn fahren, mich künstlich etwas gruseln und anschließend den Schrecken loslassen. Nostalgisch lese ich bei Wikipedia: ,,Eine Geisterbahn dient dem Zweck, ihre Besucher und Fahrgäste gegen ein Eintrittsgeld zu erschrecken.“ Aber dann stutze ich – vieles an der gegenwärtigen gesellschaftlichen Lage ist nicht so schön; Rechtsextremismus, Klimakrise, Pandemie, Krieg. Jeden Tag aufs Neue grausige Nachrichten und die kriege ich sogar kostenlos, zusammen mit Repression, Ausbeutung und Einsamkeit.
Vielleicht braucht es weniger Geister- und mehr Freudenbahnen? Ich stelle mir eine kleine Queermes vor. Eine Utopie, die manchmal sogar schon Realität geworden ist, in den gegenwärtigen Keimzellen des Paradieses. Dort können meine queeren Genoss*innen und ich uns erholen. Akribisch arbeiten w…